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Feyisa Lilesa reckt die Arme zur Geste des Protests.

© AFP

Protest bei Olympia: Marathonläufer Feyisa Lilesa will nicht nach Äthiopien zurück

Feyisa Lilesa protestierte nach dem Marathonlauf gegen die Lage der Oromo in Äthiopien. In seine Heimat zurückkehren will er nun nicht mehr - aus Angst.

Als Feyisa Lilesa die Arme zur Siegerpose reckt, ist etwas anders als gewöhnlich. Die Hände sind zwar zu Fäusten geballt, aber die Handgelenke überkreuzt, die Unterarme formen ein X. Das ist keine Bolt'sche Siegerpose, nicht vergleichbar mit den vier in die Luft gestreckten Fingern eines Michael Phelps. Lilesa will etwas anderes damit ausdrücken, als er am Sonntag nach 2:09:54 Stunden den olympischen Marathon abschließt. Seine Geste ist politisch. Der Äthiopier protestiert damit gegen die Situation in seinem Heimatland. Und eine Silbermedaille in Rio, am letzten Tag der Spiele, bietet dazu ein herausragendes Forum.

Lilesa gehört den Oromo an, der größten Volksgruppe Äthiopiens. Sie macht etwa ein Viertel der fast 100 Millionen Einwohner des Landes aus, trotzdem haben die Oromo in ihrem Land politisch kaum Einfluss. In dem ostafrikanischen Staat regiert das Minderheitenvolk der Tigray, deren Ziel es ist, die Hauptstadt Addis Abeba flächenmäßig weiter auszudehnen. Dadurch werden die Oromo aus ihrer Heimat verdrängt. Obwohl die Siedlungspläne mittlerweile auf Eis liegen, ist die Situation verfahren, die Oromo-Befreiungsfront (OLF) kämpft gegen die Unterdrückung, auch mit militärischen Mitteln. Die äthiopische Regierung stuft die OLF als Terrororganisation ein.

Seit November 2015 seien mehr als 400 Menschen getötet worden

Seit einigen Monaten kommt es in der Region rund um Addis Abeba immer wieder zu teilweise gewalttätigen Protestaktionen, laut Auswärtigem Amt seien dabei auch Unbeteiligte in Gefahr geraten. Die äthiopischen Sicherheitskräfte gehen mit massiver Gewalt gegen die Proteste vor, seit November 2015 seien nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mehr als 400 Demonstranten und Unbeteiligte getötet und Zehntausende verhaftet worden. Auch von den Demonstranten sei Gewalt ausgegangen, jedoch nur im Einzelfall.

Im Ausland hat man noch kaum etwas von den Protesten mitbekommen, weil die Presse in Äthiopien unter strenger staatlicher Kontrolle steht. Vor diesem Hintergrund ist Lilesas Geste nicht nur ein kleines Zeichen, der 26-Jährige zahlt dafür einen hohen Preis. In seine Heimat werde er vorerst nicht zurückkehren, kündigte er auf einer Pressekonferenz an. „Vielleicht muss ich jetzt in ein anderes Land gehen. Denn wenn ich nach Hause zurückkehre, werden sie mich umbringen oder ins Gefängnis werfen.“ Prompt wurde im Internet eine Spendenaktion gestartet, bis Dienstagnachmittag kamen dort bereits 90 000 Dollar zusammen.

Läufer sind in dem Land so etwas wie Nationalhelden

Ein Sprecher der äthiopischen Regierung versicherte in der „Washington Post“, Lilesa habe in seiner Heimat nichts zu befürchten. „Er ist ein äthiopischer Held, der uns alle stolz macht.“ Beobachter sind dennoch skeptisch. Im nationalen Fernsehen wurde kaum ein Wort über den Olympioniken verloren, dabei sind Läufer in dem Land so etwas wie Nationalhelden. Der doppelte Olympiasieger Haile Gebrselassie ist heute einer der reichsten Männer des Landes. Als der erste äthiopische Sieger der Spiele, Abebe Bikila, starb, wurde sogar ein nationaler Trauertag ausgerufen.

Durch seinen politischen Protest hatte Feyisa Lilesa zunächst sogar seine Silbermedaille in Gefahr gebracht. Die olympische Charta verbietet unter Punkt 50.2 jede Form politischer und religiöser Äußerung. Lilesa ist nicht der erste Athlet, der gegen diese Regelung verstößt. Das berühmteste Beispiel sind die beiden dunkelhäutigen US-Springer John Carlos und Tommie Smith. Als Zeichen gegen die Diskriminierung der Schwarzen in ihrem Land reckten sie bei den Spielen in Mexiko 1968 jeweils eine mit einem schwarzen Handschuh bekleidete Faust in die Luft – das Zeichen der Black-Power-Bewegung. Als Konsequenz mussten beide das olympische Dorf verlassen und wurden von den Spielen ausgeschlossen.

Das IOC will es in Lilesas Fall bei einer Erinnerung an die olympische Charta belassen. Die ist derzeit wohl Lilesas geringeres Problem. Seine Familie ist noch in Äthiopien. Nicht auszuschließen, dass er um ihre Sicherheit fürchten muss.

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