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Von null auf Europarekord. Johannes Floors ist rasant unterwegs.

© Imago/Mika

Prothesen-Sprinter Johannes Floors: "Am Anfang hüpft man wie ein Känguru"

Erst vor gut einem Jahr stand Johannes Floors erstmals auf Prothesen. Jetzt hält er den Europarekord und ist eine Hoffnung für die Paralympics in Rio.

Johannes Floors war in der Leichtathletik kein Begriff. Wie auch? Schließlich stand der 20-Jährige Anfang 2014 zum ersten Mal überhaupt auf Sprintprothesen . Jetzt, ein gutes Jahr später, ist er eine der deutschen Paralympics-Hoffnungen für Rio, nachdem er über 400 Meter den Europarekord gleich zwei Mal verbessert hat und den bekannteren deutschen „Blade Runner“ David Behre im direkten Duell geschlagen hat. Und das, obwohl Behre an jenem Tag ebenfalls ein starkes Rennen lief und seine persönliche Bestzeit unterbot.

Am 5. Juni war Floors beim integrativen Sportfest seines Vereins Bayer Leverkusen 49,71 Sekunden über die Stadionrunde gerannt. Nur eine Woche später verbesserte der Senkrechtstarter seine Zeit bei den offenen französischen Meisterschaften noch mal um zwei Zehntelsekunden. Rio ist plötzlich nahe, oder "es fließt in die Planung mit ein", wie Floors zurückhaltend sagt: "Mit den Zeiten müsste ich auf jeden Fall dabei sein." Erst mit 16 Jahren hatte der Braunschweiger sich entschieden, seine Unterschenkel abnehmen zu lassen, nachdem er mit dem Fibula-Gendefekt auf die Welt gekommen war. "Davor war ich nur 1,60 Meter groß und wenn man dann einen so großen Oberkörper hat und so kurze Beine, sieht das komisch aus", sagt Floors: "Außerdem hatte ich trotz Einlagen schnell Schmerzen Die Amputation war die beste Entscheidung."

Die Paralympics in London verfolgte er dann am Fernsehen. "Das war fantastisch", sagt der ehemalige Schwimmer, der sich vor einem Wettkampf mit Metal-Musik pusht. Und nachdem er 2013 bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften noch mit Alltagsprothesen an den Start gegangen war, durfte er Anfang 2014 erstmals mit Sprintprothesen laufen. "Für das Sportabitur musste ich ja laufen und habe auch einen Triathlon gemacht. Und dann kamen eben die Sprintprothesen irgendwann. Zu Beginn ist das allerdings kein richtiges Laufen. Man hüpft da eher wie ein Känguru. Aber ich bin nicht sofort gestürzt. Ich wollte nicht mehr aufhören damit." Bis zum Abitur 2014 trainierte er fortan in Braunschweig, nach den Prüfungen folgte dann der Entschluss, nach Leverkusen zu ziehen, um dort fünf Mal die Woche zu trainieren. "Hier sind die Bedingungen optimal, ich brauche mit dem Fahrrad nur fünf Minuten zur Trainingsanlage, die immer geöffnet ist. Und auch die Unterstützung ist top", sagt der 20-Jährige, der nun eine Ausbildung zum Orthopädietechnik-Mechaniker macht und mit einem Schwimmer in einer Sportler-WG zusammenwohnt.

Dass der sportliche Aufstieg so schnell geht, hätte er nicht gedacht: "Man arbeitet zwar immer drauf hin und träumt, aber damit konnte ich nicht rechnen." Nun gilt es für den Newcomer, Erfahrungen zu sammeln, wie kürzlich bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften in Berlin. Quasi ohne Konkurrenz musste Floors auf die Stadionrunde - und lief prompt rund zwei Sekunden langsamer als bei seinem Europarekord. "Das fiel mir sehr schwer. Ich bin schon viel zu langsam angegangen und wusste nicht, wie ich die Kräfte einteilen soll. Meine Trainerin Sara Mezzi hat mir das auch angemerkt."

Nun startet Floors, der auch für die deutsche 4x100-Meter-Staffel eine Option für Rio ist, bei der Junioren-WM im niederländischen Staadskanaal. "Ich hoffe schon, mit der Zeit eine Medaille abgreifen zu können", sagt er und glaubt, dass es in dieser Saison nicht sein letzter internationaler Einsatz sein wird: Ende Oktober steht nämlich noch die IPC-Leichtathletik-Weltmeisterschaft der "Großen" in Katar an.

Nico Feißt

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