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Sport: Punkt für Punkt

Nach dem souveränen 94:74 im ersten Play-off-Viertelfinale gegen Frankfurt ist Alba Berlin der erste Anwärter auf den Meistertitel

Berlin. Marco Baldi erinnert sich noch gut an die T-Shirts, die die Ulmer Fans in Berlin trugen. „Vizemeister stand da drauf“, erzählt der Vizepräsident der Basketballer von Alba Berlin. 1998 war das, Alba und Ulm spielten in der Finalserie um die deutsche Meisterschaft gegeneinander. Dass Baldi sich den Aufdruck gemerkt hat, liegt an dem Zeitpunkt, zu dem die Fans sich die Shirts überstreiften: vor dem Spiel. Sie waren sicher, dass ihre Mannschaft verlieren würde – und stolz auf Platz zwei.

Die Situation habe sich geändert, meint Baldi, „Früher haben unsere Gegner Understatement betrieben und gesagt, wir wollen in Berlin was lernen. Jetzt sagen sie, wir wollen Alba weg haben“, den Meister der vergangenen sechs Jahre also von Platz eins verdrängen. „Der Zorn der anderen Teams, die uns schlagen wollen, ist gewachsen. Das werden harte, aufreibende Wochen“, kündigte Baldi schon vor dem Pokalsieg vor einer Woche an. Die Kampfansagen der Konkurrenz wertete er als gestiegene Qualität der Liga.

Dass wirklich alles anders wird, scheint nach dem ersten Play-off-Viertelfinale zumindest fraglich. Alba, Zweiter nach der Hauptrunde, besiegte die Opel Skyliners Frankfurt in der Max-Schmeling-Halle nach schneller 16:1-Führung 94:74 (48:40) – trotz 18 Ballverlusten aufgrund nachlassender Konzentration. Albas beste Werfer waren vor 5447 Zuschauern DeJuan Collins (17 Punkte/7 Rebounds) und Quadre Lollis (17/5). In der Schlussphase kam sogar Jimmy James zu seinem Bundesligadebüt, und Nachwuchsspieler Guido Grünheid machte in weniger als vier Minuten Spielzeit acht Punkte. Experimentierfreude mit dem Nachwuchs ist nicht unbedingt ein Kompliment für den Gegner. Kapitän Henrik Rödl warnt, „dass es erst 1:0 steht“, und Trainer Emir Mutapcic fordert seine Spieler auf, den Sieg „schnell zu vergessen. Wir haben viel Respekt vor Frankfurt, die können besser spielen.“

Die Fans sind optimistischer: „Die Nummer eins, das sind wir“, sangen sie, und „Stand up for the champions“ dröhnte durch die Halle. Meister ist Alba zwar noch lange nicht, doch die Chancen, dass sie es erneut packen, sind nicht schlecht. „Alle die, die uns schon abgeschrieben haben, müssen ihre Geschichte neu schreiben“, sagt Albas Centerspieler Teoman Öztürk. Für Alba sprechen auch die Ergebnisse der härtesten Titelkonkurrenten. Die Telekom Baskets Bonn, die als Tabellenführer in die Play-offs gingen, verloren 89:96 gegen die Bayer Giants Leverkusen, Rhein Energie Cologne unterlag dem TSK Universa Bamberg 91:98.

Der Pokalsieg vom vergangenen Wochenende, den Mithat Demirel mit einem Korb in letzter Sekunde gegen Köln perfekt machte, hat Alba einen riesigen Schub gegeben. Die Bonner hingegen haben an ihrer Halbfinalniederlage gegen Alba zu knabbern. Die „Süddeutsche Zeitung“ zitierte Bonn Präsidenten Wolfgang Wiedlich nach dem missglückten Pokalwochenende in puncto Meisterschaft mit den Worten: „Da müsste bei uns schon ziemlich viel zusammenpassen.“ Selbstvertrauen klingt anders. „Die haben die ganze Saison nur mit sechs, sieben Spielern bestritten, es war klar, dass ihnen irgendwann die Puste ausgeht“, sagt Demirel. Alba hingegen konnte den Ausfall des verletzten Nationalspielers Marko Pesic gestern gut kompensieren, auch dass Jovo Stanojevic nach einer Oberschenkelverletzung nur 17 Minuten spielte und keinen Punkt machte, verkraftete Alba gut. Und das, obwohl der starke Vladimir Petrovic mit Schmerzen im Fuß auflief, Nino Garris eine Grippe hinter sich hat und Rödl laut Mutapcic wegen einer Fingerverletzung „bei festen Pässen Angst hat zu fangen“. Doch es ist nicht die Zeit, um über Wehwehchen zu jammern, sagt Demirel, „jeder stellt sich in den Dienst der Mannschaft“. Damit es nicht die Berliner selbst sind, die am Ende ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Vizemeister“ tragen müssen.

Helen Ruwald

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