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Große Last. Ein Randonneur beim Fahrradmarathon Paris-Brest-Paris.

© Imago

Radkolumne "Abgefahren": Mit Strava und Randonneuren von Erkner und zurück

Strava ist das Facebook für Radfahrer, Läufer und Triathleten. Dort zeigen sogar die Profis ihre Trainingsdaten. Und auch die Langstrecken-Radfahrer.

Ich gebe es zu: Ich bin ein großer Fan von Strava. Sie kennen Strava nicht? Das ist sozusagen das Facebook für Radfahrer, Läufer, Triathleten. Bei Facebook bin ich schon vor einigen Jahren ausgestiegen, Twitter habe ich höchstens beruflich genutzt und auch sonst stehe ich den sozialen Medien eher kritisch gegenüber. Strava hingegen ist natürlich etwas ganz anderes. Da geht es ums Radfahren, da bin ich dabei.

Mit einem GPS-fähigen Computer am Fahrrad oder Handgelenk zeigt man der großen weiten Welt sein sportliches Bewegungsprofil. Wer ist am persönlichen Lieblingsberg der Schnellste, wer von den Radsportfreunden war unter der Woche am fleißigsten, keine Frage bleibt offen. Bei Strava sind alle versammelt, die mit dem Rad, aber auch zu Fuß und im Wasser unterwegs sind.

Nicht nur die weltbesten Radprofis legen hier teilweise ihre persönlichen Trainingsdaten offen. Da sind zum Beispiel die Pendler, die den Weg mit dem Rad von und zur Arbeit dokumentieren. Oder die ambitionierten Triathleten, die die Fitnesstracker sogar im Wasser am Körper tragen. Oder auch die Randonneure.

Mit großer Bewunderung habe ich seit Langem auch einige dieser Berliner Langstrecken-Radsportler auf meiner persönlichen Watchlist. Die Szene der Randonneure erfreut sich in Berlin und Umgebung großer Beliebtheit. Die Königin der Langstreckenfahrt ist Paris-Brest-Paris über 1200 Kilometer. Alle vier Jahre findet sie statt und die Startplätze sind begrenzt. Um dort überhaupt mitmachen zu dürfen, müssen die Randonneure nachweisen, dass sie an Fahrten über 200, 300, 400 und 600 Kilometer teilgenommen haben.

Keine Hektik bei Frühlingswetter

Vor kurzem fand eine 300-Kilometer-Tour mit Start und Ziel in Erkner statt. Die Strecke führte zunächst nach Neuzelle, dann an der Oder entlang nach Kostrzyn, einem Abstecher durch Polen und von Hohenwutzen über Richtung Bernau zurück nach Erkner. Mein Strava-Freund Rafal hatte mir davon geschrieben und weil mich diese mir fremde Radsport-Szene interessiert, bin ich kurzerhand als Gast mitgefahren.

Morgens um 7 Uhr ging es bei schönstem Frühlingswetter los. Und obwohl eine lange Strecke vor den gut 80 Teilnehmern lag, gab es keine Spur von Hektik. Im Gegenteil, es war eine fast andächtige Stimmung, ganz anders als ich sie von Radrennen kenne. Einige hatten Packtaschen am Rad, andere nur kleine Rucksäcke dabei, wieder andere verteilten das Nötigste in den Trikottaschen.

Unterwegs gab es immer wieder die Gelegenheit für ein Schwätzchen mit den anderen Teilnehmern. An den verschiedenen Kontrollpunkten verringerte sich die anfangs große Gruppe nach und nach. Die einen wollten ruhiger fahren, die anderen die Natur genießen, wieder andere einen längeren Stopp einlegen. Die Langstreckenfahrer sind eben auch Individualisten.

Eine Ausfahrt ist kein Radrennen

Bei Kilometer 160 war ich schließlich nur noch mit sieben anderen zusammen unterwegs. Den Einkehrschwung zum Mittagessen im polnischen Kostrzyn ließ ich aus und fuhr die zweite Hälfte der Tour allein weiter. Auch wenn es der Wind nicht immer gut mit mir meinte, war das Radfahren trotzdem eher ein leichtes Dahingleiten. Nach insgesamt etwas mehr als elf Stunden, vier Pausen und inspirierenden Gesprächen war ich schließlich wieder in Erkner.

Zuhause angekommen habe ich bei Strava natürlich gleich nachgeschaut, wie es den anderen ergangen ist. Einige Teilnehmer sind sogar noch mit dem Rad von Erkner wieder nach Berlin herein gefahren. Sie hatten schließlich auch kein Radrennen, sondern eine Ausfahrt hinter sich.

Lesen Sie auch die letzte Radkolumne: Das Frühjahr, die Zeit der Rad-Festtage.

Michael Wiedersich

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