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Topsprinter, aber am Berg meist ohne Chance: Peter Sagan beim aktuellen Giro.

© LaPresse/Imago

Radkolumne „Abgefahren“: Wenn aus Kilos Sekunden werden

Die Formel „Weniger Gewicht gleich schneller Radfahren“ kennen ambitionierte Hobby-Radfahrer. Nur die Schlussfolgerung ist anders als bei den Profis

Michael Wiedersich ist Sportjournalist und Radsporttrainer. Hier schreibt er im Wechsel mit Läuferin Jeannette Hagen.

Der Giro d’Italia läuft derzeit und zeigt: Mindestens genauso wichtig wie Durchschnittsgeschwindigkeiten oder Leistungswerte ist beim Radsport das Thema Gewicht. Das eigene Körpergewicht spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle und entscheidet oft über Sieg oder Niederlage. Obwohl ein Top-Sprinter wie Peter Sagan bei einer Größe von 1,84 Meter gerade einmal 74 Kilogramm auf die Waage bringt, zählt der Slowake eher zu den schwereren Profis im Peloton.

Wenn die Hügel länger und steiler werden, hat der dreifache Ex-Weltmeister keine Chance gegen die Kletter-Spezialisten. Fahrer wie sein Teamkollege Emanuel Buchmann sind zwar etwas kleiner, aber dafür meist noch zehn oder mehr Kilogramm leichter als er.

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Die Formel „Weniger Gewicht gleich schneller Radfahren“ bleibt natürlich auch den ambitionierten Hobby-Radfahrern nicht verborgen. Nur die Schlussfolgerung für den erfolgreichen Angriff auf die Spitzengruppe der Radkumpels ist meist eine andere. Bevor der Weg des beschwerlichen, aber günstigen Body Tunings gegangen wird, stehen erst einmal andere Investitionen an: die ins Material.

Neulich meldete sich ein alter Freund. Er wolle etwas gegen sein Übergewicht tun und sich ein Rennrad zulegen. In der engeren Wahl waren zwei Carbonflitzer, er konnte sich allerdings nicht entscheiden. Der eine Renner wog acht Kilogramm und sollte 3000 Euro kosten. Das andere Rad war für stolze 5000 Euro zu haben und wog knapp sieben Kilogramm. Seine Tendenz ging zum leichteren Rad. Er könne damit schneller fahren als mit dem schwereren Rad, war sein Argument.

Nun gibt es glücklicherweise die Physik und das Internet. Der Geschwindigkeitsgewinn durch das leichtere Fahrrad auf seinen angedachten Trainingstouren dürfte kaum zu spüren sein. Über eine 30 Kilometer lange flache Strecke ohne Wind beispielweise würde er gerade einmal einen Vorteil im einstelligen Sekunden-Bereich haben. Einen zehn Kilometer langen Berg mit durchschnittlich fünf Prozent Steigung würde der Radsport-Eleve vermutlich 29 Sekunden schneller mit dem leichteren Rad fahren. Aber rechtfertigt das den Unterschied von 2000 Euro? Und vor allem: wo gibt es in Berlin und Brandenburg solche langen Berge?

Beweglichkeit ist immer das Zauberwort

Ich machte ihm einen anderen Vorschlag. Er sollte lieber das schwere Rad kaufen und drei Kilo Körpergewicht abspecken. Dann würde er extrem preisgünstig über die 30 Kilometer bei den gleichen Bedingungen um die 20 Sekunden schneller fahren können. Von dem gesparten Geld könnte er ein zweiwöchiges Trainingslager absolvieren, wenn es die Corona-Situation wieder zulässt. Durch die dabei verbesserte Leistung gewänne er am Ende sogar noch die eine oder andere Minute. Ich bin gespannt, wie er sich entscheiden wird. Für alle, für die ein Gewichtsverlust von drei Kilogramm nicht in Frage kommt, die aber trotzdem schneller fahren wollen, noch ein kleiner Tipp. Je höher die Geschwindigkeiten werden, desto wichtiger ist die Aerodynamik und damit die Position auf dem Fahrrad.

Bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h können über eine Stunde leicht einige Minuten eingespart werden, wenn man auf dem Rad nicht aufrecht wie ein Schrank sitzen muss. Ohne Fleiß gibt es aber auch hier keinen Preis. Beweglichkeit ist das Zauberwort, dann klappt es im nächsten Frühling auch mit dem Angriff auf die Spitzengruppe der Radkumpels.

Michael Wiedersich

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