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Radsport: Schiff in stürmischer See

Die Konsequenz aus Doping, Lügen und verlorener Ehre: Dem Profiradsport gehen die Veranstaltungen aus.

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin - In Artur Tabat ruht offenbar poetische Kraft. „Verstünde man den Profi-Radsport als Schiff auf dem Ozean, so wäre der Wellengang turmhoch und der Wind unaufhörlich – ein Unwetter, ohne Aussicht auf baldiges Vorüberziehen“, schrieb das Kölner Radsport-Urgestein jüngst in einem Internet-Beitrag. Tabat seinerseits stemmt sich mannhaft gegen diesen Wind, der auch schon mal als Orkan daherkommt. Er ist Cheforganisator des Traditionsradrennens „Rund um Köln“. Als jetzt unwiderruflich das Aus für die Deutschland-Tour verkündet wurde und die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender das Ende der Liveübertragungen von der Tour de France beschlossen, stellte sich Tabats Mitstreiter Alexander Donike hin und sagte mit fester Stimme: „Unser Rennen ,Rund um Köln’ gibt es seit 100 Jahren, das wird es auch weiterhin geben.“

Über alle Dopingskandale und Sponsorenrückzüge hinweg, die den Profiradsport seit geraumer Zeit an den Rand des Siechtums führen, sollen die Räder bei ein paar namhaften Eintagesrennen in Deutschland weiter rollen. „Die aktuelle Situation ist sicher alles andere als rosig, aber wir haben auch in schwierigen Zeiten immer die Ruhe bewahrt“, sagt Alexander Donike. Gerade „Rund um Köln“ kämpfte in der Vergangenheit hart ums Überleben: Vor zwei Jahren zog sich der Hauptsponsor, ein Versicherungskonzern, zurück. Und im vorigen Jahr fiel das Rennen ganz aus. Grund: Zu Ostern, dem Austragungstermin, hinderte heftiger Schneefall die Radler an der Ausübung ihres Sports.

Auch bei den Hamburger Cyclassics, dem einzigen Eintagesrennen in Deutschland mit UCI-Pro-Tour-Status, werden derzeit keine Gedanken an ein Ende verschwendet. „Ich kann mit Gewissheit sagen, dass das Rennen im kommenden Jahr stattfindet“, sagt Hendrik Heinz von der die Veranstaltung organisierenden Upsolut Event Gmbh in Hamburg. Allerdings wird sich der Charakter des Rennens vielleicht stark verändern. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Veranstaltung ihren Schwerpunkt mehr auf den Breiten- denn auf den Spitzensport verlagern wird. „Es muss aus unserer Sicht in Zukunft nicht mehr notwendigerweise ein Profirennen sein“, sagt Sabine Neumann, die Pressesprecherin vom Stromanbieter Vattenfall, dem Hauptsponsor der Cyclassics. Schon in diesem Jahr stiegen über 20 000 Hobbysportler in einem Jedermann-Rennen aufs Rad, allerdings waren dann im Profirennen auch Stars wie der spätere Sieger Robbie McEwen am Start.

Nachdem der deutsche Radprofi Stefan Schumacher unlängst des Dopings überführt worden war, räumte auch Artur Tabat für „Rund um Köln“ in einer ersten Reaktion ein: „Ich werde wohl nur noch ein Amateur-Rennen machen." Inzwischen ist seine Haltung schon wieder weitaus kämpferischer. „Wir lassen uns den Radsport nicht noch weiter destabilisieren“, sagt er jetzt. Eine Meinung, die auch bei Alexander Donike auf Wohlwollen stößt: „Wir bieten ja seit fünf Jahren Jedermann-Rennen an, allein schon um die ganze Bandbreite des Radsports zu erfassen. Aber unser ,Rund um Köln’ ist ein klassisches Profirennen – und das soll so bleiben.“

Auf der Kippe steht ein anderes traditionelles Eintagesrennen. Bei „Rund um den Henninger Turm“ in Frankfurt gestaltet sich die Sponsorensuche schwierig. In Kürze soll eine Entscheidung fallen. Organisator Bernd Moos-Achenbach sagt: „Die Chancen stehen 50:50.“ Andere große Radsportveranstaltungen in Deutschland sind bereits abgesagt worden. Die Mehretappenfahrten von Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen fanden in diesem Jahr nicht statt. Nur in Bayern gab es noch eine Rundfahrt.

Für die Cyclassics in Hamburg existiert eine Medienpartnerschaft mit ARD und ZDF – noch. In diesem Jahr wurde das Rennen live übertragen, erst regional im NDR, später übernahm die ARD. „Über das Event der 22 000 Freizeitfahrer werden wir auch weiterhin berichten. In welcher Form steht noch nicht fest“, heißt es in einer Pressemitteilung des NDR. Das Profirennen wird da mit keiner Silbe mehr erwähnt.

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