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Hertha BSC - 1. FC Nürnberg 1:2

© dpa

Randale: Hertha und das Negativ einer Meisterfeier

Den Abpfiff konnte man in der Ostkurve des Olympiastadions schon nicht mehr hören. Nach der Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg kippte die Stimmung unter den Hertha-Fans endgültig. Es kam zur Eskalation. Lucas Vogelsang war im Stadion.

Es brodelt im Ostblock. Nach dem Ausgleich der Nürnberger bahnt sich der Unmut der Fans langsam aber unaufhaltsam seinen Weg. Erst fliegen nur Worte aus der Kurve, dann Flaschen, Feuerwerkskörper. Während die Spieler auf dem Feld noch versuchen, gegen das scheinbar Unvermeidliche anzuspielen, kippt hörbar die Stimmung unter den Fans, die hier seit Wochen gegen den Abstieg ansingen. Wieder sind sie zu Tausenden gekommen, mit der letzten Hoffnung, dass dieses Endspiel noch einmal die Wende bringen könnte. Dann trifft Charisteas und jetzt hat auch die Kurve verstanden: Der Abstieg wird wohl nicht mehr zu verhindern sein. Und der Block eskaliert.

Den Abpfiff kann man in der Ostkurve schon nicht mehr hören. Er wird in einem vielstimmigen Aufschrei erstickt. Aber die Fans singen nicht mehr. Aus den Anfeuerungsrufen ist ein hasserfüllter Schlachtruf geworden. "Auf die Fresse!", hallt es aus der Kurve. Fäuste zucken, werden in den Nachthimmel getrieben. Das Spiel ist aus. Hertha hat wieder verloren, ein Verein hat sich aufgegeben, eine Mannschaft hat versagt. Doch anstatt in die Kurve zu kommen und sich zu stellen, sich wenigstens zu entschuldigen, flüchten die Spieler in die Kabine. Im Block mischt sich nun endgültig Wut in die entsetzten Gesichter. Und die ersten beginnen ihre Fahnen von den blanken Stangen zu reißen.

rbb-Abendschau: Randale nach Hertha-Spiel

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Worte fliegen, Flaschen, Feuerzeuge. Und wieder: "Auf die Fresse." Als der letzte Spieler im Tunnel verschwunden ist, hat der erste Anhänger, dunkle Jacke, den blauweißen Schal vor dem Gesicht, Plexiglas und Absperrung überwunden. Schnell steht der zweite auf der blauweißen Tartanbahn. Gestenreich versuchen sie nun, auch den noch zögernden Rest zum Angriff zu bewegen und lösen so eine Kettenreaktion aus. Nach und nach drängen mehrere Dutzend Fans über die Absperrung. Die erste Sitzschale wird geworfen. Feuerwerkskörper explodieren. Auf die Fresse.

Dann schwappen sie über die hilflosen Ordner hinweg auf das Spielfeld wie ein vermummter Schwarm wütender Heuschrecken, die Fahnenstangen wie Lanzen in den Fäusten, die Schals wie Masken vor dem Gesicht. Sie bahnen sich ihren Weg bis zum Spielertunnel, reißen die Trainerbank aus der Verankerung, demolieren die Sponsorentafeln und die Bandenwerbung. Das alles sieht aus wie das Negativ einer Meisterfeier. Ein Abstiegstanz. Er dauert nicht einmal fünf Minuten.

Untermalt von der brodelnden Kulisse der Zurückgebliebenen, zieht sich der dunkle Schwarm so schnell zurück, wie er gekommen ist. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei drängt die Fans, die längst keine mehr sind, wieder in ihren Block. Ihre Wut hat sich kurz und heftig entladen. Sie haben ein Trümmerfeld hinterlassen. Das Negativ einer Meisterfeier. Entwurzelte Scheinwerfer, zertretene Absperrungen. So sieht der Abstieg aus. Auf die Fresse. So klingt die Zweite Liga. 

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