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Aus den USA nach Deutschland: Ronald Burrell (rechts).

© Stefan Puchner/picture alliance / dpa

Ratgeber für angehende Basketballprofis: Ronald Burrell: „Sie wissen nicht, was sie erwartet“

Ronald Burrell hat elf Jahre als Basketball-Profi in Europa gespielt. Jetzt hat er ein Ratgeber-Buch für junge US-Basketballer im Ausland geschrieben.

Herr Burrell, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Ratgeber für angehende Basketballprofis zu schreiben?

Ich habe meine eigene Karriere 2016 beendet. Im letzten Monat habe ich sehr viel darüber nachgedacht, welche Erfahrungen ich in meinen elf Jahren in Europa gemacht habe. Ich und mein Co-Autor James Maye, der seit 15 Jahren im Ausland spielt, wollten einfach gerne ein bisschen von unserem Wissen weitergeben.

Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an ihre eigene erste Auslandsstation zurückdenken?
Ich hatte großes Glück – mein erster Vertrag hat mich nach Paris geführt. Aber ich habe natürlich wenig verdient, hatte kein Auto, konnte kein Französisch, hatte keine Ahnung, wo und wie ich irgendetwas einkaufen sollte. Der Klub hat mir mein Apartment gezeigt und gesagt, wann die erste Trainingseinheit stattfindet. Ich erinnere mich, dass ich mir sehr verloren vorkam. Aber ich war topfit, basketballerisch hatte ich keine Probleme. Das geht längst nicht allen jungen US-Profis so, viele sind schlecht vorbereitet.

Was ist der größte Fehler, den ein junger Spieler machen kann?
Wir versuchen zu vermitteln, dass man sich einen guten Ruf erarbeiten muss. Viele Jungs sehen keinen Sinn darin, sich darum zu kümmern, wie sie abseits des Spielfelds wahrgenommen werden. Es gibt aber viele Leute, die gut Basketball spielen können. Das bedeutet jedoch nicht, dass man automatisch eine gute Karriere hinlegt. Bei mir wussten die Vereine immer, was für ein Typ ich bin, was ich für ein Mitspieler bin. Das hat mir geholfen, länger bei einzelnen Klubs und zum Beispiel sechs Jahre in der Bundesliga zu bleiben.

Wie hilft Ihr Buch jungen US-Basketballern, eine erfolgreiche Karriere zu starten?
Das Buch führt die Spieler von ihrer letzten College-Partie bis zur ersten Trainingseinheit als Profi und dann weiter in ihrer Karriere. Wir geben Ratschläge, wie man sein persönliches Training intensiviert, um sich auf das Profigeschäft einzustellen. Wie man gute Spielerberater von schlechten unterscheidet. Wie ein europäisches Trainingslager aussieht. Wie man sich auf verschiedene Arten von Coaches einstellt …

… das ist sicher nicht einfach. Viele Amerikaner wirken regelrecht geschockt, wenn sie erstmals mit einem Trainer aus dem ehemaligen Jugoslawien zusammenarbeiten.
Oh, ja! In meinem zweiten Profijahr – meiner ersten Saison in Deutschland – habe ich in Köln für Sasa Obradovic gespielt. Ein toller Coach, ein fabelhafter Mensch – aber er ist schon echt hart. Ich mochte es immer, strenge Trainer zu haben. Aber wenn ich zuhause erzählt habe, dass wir in der Saisonvorbereitung drei Mal am Tag trainiert haben, hat mir das keiner geglaubt. In unserem Buch schreiben wir deshalb: Sei bereit! Sei bereit für alles!

In Ihrem Buch geben Sie auch Ratschläge, die auf den ersten Blick selbstverständlich scheinen. Wieso muss man jungen Basketballern explizit sagen, dass sie nicht außer Form bei ihrem neuen Klub antreten sollten? Oder während der Saison keine Drogen nehmen dürfen?

Ich stimme Ihnen zu: Eigentlich sollte man meinen, dass diese Sachen klar sind. Viele junge Spieler wissen aber überhaupt nicht, welches sportliche und professionelle Level sie erwartet. Deswegen verpflichten große Klubs wie Alba Berlin gerne erfahrene Spieler: Bei einem Veteranen wie Tony Gaffney kann man sich darauf verlassen, dass er in Topform ist, wenn er in Berlin ankommt. Natürlich gibt es auch Jungs, die ihre Karriere durch Drogen ruinieren. Auch weil sie nicht wissen, dass es zum Beispiel in Deutschland Dopingtests gibt.

Sie haben in Frankreich, Polen und Deutschland gespielt. Wie schwer war es, in diesen Ligen Fuß zu fassen, gerade im Vergleich zu anderen Ländern?
Deutschland ist für mich einer der besten Orte auf der ganzen Welt. Kaum ein Land macht den Start für US-Amerikaner einfacher. In Frankreich ist es ähnlich, obwohl die Leute dort natürlich weniger Englisch sprechen. In Osteuropa ist es ein wenig schwieriger, ich habe mich aber auch in Polen sehr wohl gefühlt. Natürlich gibt es Horror-Storys – ein Freund von mir war Profi in Libyen und ist in Bengasi in den Bürgerkrieg hineingezogen worden. Das ist natürlich ein Einzelfall. Trotzdem sollte man seine Augen offenhalten, egal wo man lebt. Manche Basketballer kommen aus wirklich schlechten Gegenden in den USA und denken, ihnen kann niemand etwas anhaben. Verrückte gibt es aber überall.

Manchmal scheint auch schon der Alltag junge Profis zu überfordern.
Auf dem College wird vieles für dich erledigt, als Spieler hast du ein Zimmer in einem Wohnheim, es gibt eine Mensa und so weiter. Wenn sie dann Profis werden, haben diese Jungs keine Ahnung, wie man kocht, einkauft oder Wäsche wäscht. Heimweh kann auch ein Problem sein, wenn man zehn Monate von zuhause weg ist und nicht einmal zu Weihnachten Urlaub hat. Diese kleinen Dinge können zu großen Problemen werden.

Welche Rolle spielen dabei falsche Erwartungen?
Als Basketballer in den USA wächst du mit dem Traum von der NBA auf. Auch wenn du ins Ausland gehst, erwartest du einen bestimmten Lifestyle. Aber es ist ein sehr anstrengender Job, nicht jeder kann sich darauf einstellen. Ich kenne viele Spieler, die ihre Karriere abgebrochen haben, um zuhause lieber in einem normalen Job zu arbeiten, als im Ausland Basketballprofi zu sein. Wir haben das Buch geschrieben, um auch die unglamourösen Seiten zu beleuchten und die Leute aufzuklären.

Als Basketballprofi wird man auch nicht unbedingt reich. Haben Sie Geld gespart?
Ich bin ein geiziger Mensch (lacht), ich konnte also etwas zurücklegen. Das Business ist aber sehr schnelllebig, man kann sich schon glücklich schätzen, wenn man einen Zweijahresvertrag bekommt. Auf dem College ist das anders, deine Universität versucht meistens, Spieler über vier Jahre aufzubauen und auch als Persönlichkeiten zu entwickeln. Profiklubs denken anders. Deshalb schreiben wir in unserem Buch: Sei bereit zu spielen, sobald du aus dem Flieger steigst! Das Team hat dich verpflichtet, damit du performst. Sonst holen sie jemand anderes.

Herr Burrell, wenn Sie nur einen Tipp für einen jungen Spieler zu Beginn seiner Karriere hätten: Wie würde er lauten?
Ich habe zwei Ratschläge – denn bei einer Profikarriere geht es nicht nur um Basketball, sondern auch um das gesamte Leben. Erstens würde ich also raten, immer professionell zu bleiben, also gut zu spielen und sich abseits des Feldes wie ein Gentleman zu verhalten. Der zweite Rat? Lass dich auf die Kultur ein! Schreib ein Tagebuch, mach Fotos, reise herum, probier das Essen, lern Leute kennen! All diese Dinge sind unheimlich wertvoll.

Ronald Burrell, James Maye: "The Journeyman's Guide". Erhältlich nur auf Englisch.

Ronald Burrell hat in Deutschland für Köln, Bonn, Oldenburg und Bayreuth gespielt, bevor er 2016 seine Karriere beendete. Der US-Amerikaner begann seine Laufbahn in Frankreich, später spielte er drei Jahre lang in Polen. Sein größter Erfolg in Deutschland war die Vizemeisterschaft mit Bonn 2008.

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