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Sport: Ratlos im Wind

Martina Glagow belegt bei der Biathlon-Weltmeisterschaft den sechsten Platz – und ist damit noch beste Deutsche

Oberhof. Das Erste, was von Uschi Disl zu hören war, war ein lautes Schnäuzen. Nach mehreren Tagen Bettruhe zu Beginn der Biathlon-Weltmeisterschaft in Oberhof wollte die Sechste des Gesamtweltcups gestern von Antibiotika und Glukose-Infusionen erzählen – und musste erst einmal zum Taschentuch greifen. Ein grippaler Infekt hatte den Start von Uschi Disl verhindert, die im gesunden Zustand zu den Medaillenfavoritinnen dieser Titelkämpfe gehört hätte. Gestern stand sie erstmals wieder auf Skiern. „Am Schießstand lief es erstaunlich gut. Beim Laufen fehlt es aber gewaltig, von guter Form erst gar nicht zu reden“, erzählte sie. Maximal das letzte Weltmeisterschafts-Rennen wird sie bestreiten, den Massenstart am Samstag.

Weil Uschi Disl bislang ausgefallen ist, hängt in Oberhof alles an Martina Glagow. Nach je einmal Silber und Bronze der Mittenwalderin sieht Bundestrainer Uwe Müssiggang das Medaillensoll der deutschen Frauen zwar als erfüllt an und sagt, „wir sind zufrieden wenn eine unserer Frauen auf dem Treppchen steht.“ Doch die Bilanz von Glagows Teamkolleginnen ist wenig begeisternd. Kati Wilhelm (Sprint: 26./Verfolgung: 15.), Katrin Apel (13./17.) und Simone Denkinger (24./52.) hatten am Wochenende mit dem Ausgang der Rennen nichts zu tun. Gestern im Einzelrennen über 15 Kilometer war Glagow als Sechste (drei Schießfehler) erneut beste Deutsche. Die Russin Olga Pylewa siegte vor ihrer Landsfrau Albina Achatowa und der Ukrainerin Olena Petrowa.

„Das Laufen ging super, aber das Schießen war eine Windlotterie. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Abschneiden“, sagte Martina Glagow. Denkinger, am Sonntag durch Magenprobleme geschwächt, wurde mit vier Fehlschüssen Neunte. Wilhelm und Apel pausierten. Stattdessen kamen die Olympiasiegerin Andrea Henkel sowie Katja Beer erstmals zum Einsatz, die als besonders schussstark gelten. Beim Einzelrennen gibt es pro Fehlschuss eine Strafminute anstelle der 150 Meter langen Strafrunde, welche die Frauen in 25 bis 30 Sekunden bewältigen. Das Schießen ist deshalb wichtiger als in den anderen Wettbewerben. Doch mit je fünf Schießfehlern kamen Henkel und Beer nur auf den 26. und 32. Rang.

„Pylewa und Achatowa haben gezeigt, dass es nur mit einem Fehler geht, wenn man sich am Schießstand konzentriert“, kritisierte Bundestrainer Müssiggang, „ich bin nicht zufrieden.“ Auch Denkinger ärgerte sich „gewaltig über meine Schießfehler. Langsam habe ich das Gefühl, ich habe Angst, ganz nach vorn zu laufen“. Beim letzten Schießen machte sie zwei ihrer vier Fehler. Mit einem Schießfehler weniger wäre sie Fünfte geworden, mit zweien weniger gar Dritte.

Olympiasiegerin Kati Wilhelm hatte nach mäßigen Leistungen während der Saison geglaubt, sich durch Sondereinheiten in der Loipe wieder herangekämpft zu haben. Sie wollte in Oberhof um Medaillen mitlaufen. Doch beim Sprint startete Kati Wilhelm 30 Sekunden vor der späteren Siegerin Liv Grete Poirée – und war so langsam, dass die Norwegerin, die am Ende nur Achte wurde, sie schon beim ersten Schießen eingeholte hatte. Auch weil sie laut Bundestrainer Müssinggang „schlechtes Material“ hatte, also falsche oder falsch präparierte Ski.

Von unbefriedigenden Leistungen der Frauen hinter Glagow hatte Müssiggang bis gestern nichts wissen wollen – der ständig wechselnde Wind habe die Ergebnisse beeinflusst. Apel habe beim Verfolgungsrennen (zehn Schießfehler) mit Windböen zu kämpfen gehabt, im Gegensatz etwa zu Glagow. Allerdings sagte Müssiggang auch: „Die Besten haben gewonnen“, die Favoriten nämlich. Es lag also nicht nur am Wind. Sondern auch am Können – auch gestern.

Helen Ruwald

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