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Sport: Rauf an die Spitze

Bayern München gewinnt nach mäßiger Leistung 2:1 gegen Aufsteiger Alemannia Aachen und übernimmt die Tabellenführung

Für einen Moment schien sich Oliver Kahns Urgewalt noch einmal unkontrolliert zu entladen. In früheren Jahren kam es bei dem Torwart ja des öfteren zu solchen Eruptionen, mal rüttelte er eigene Mitspieler durch, mal rupfte er Eckfahnen aus oder näherte er sich Gegenspielern mit gefletschten Zähnen. Zuletzt aber strahlte Kahn eine gewisse Altersweisheit aus, die ihn offenbar immer häufiger davon abhielt, seine Gefühlswelt in aller Öffentlichkeit zu entblößen. Als sich gestern Nachmittag gegen Ende der ersten Halbzeit die Lage zuspitzte, drohte er jedoch noch einmal ordentlich auszuflippen. Gerade war ein abgefälschter Freistoß des Aacheners Sascha Dum hinter ihm im Tor eingeschlagen, als er sich mit großen Schritten der Mittellinie näherte, wo Schiedsrichter Markus Schmidt zum Wiederanstoß bat. In ordentlicher Phonzahl gab er dem Referee zu verstehen, was er von dessen Freistoßentscheidung hielt und spreizte zwei Finger, womit er ihm bedeute, dass dies keineswegs die erste Fehlentscheidung gewesen sei. Kahn erhielt dafür die Gelbe Karte, verbat sich Widerworte, kehrte um und marschierte missmutig Richtung Strafraum zurück.

Jene Szene war nicht nur ein Beleg dafür, dass der ehemalige Nationaltorwart auch nach 503 Bundesligaspielen noch mit vollem Herzen bei der Sache ist, sie zeigte zudem, dass es bei den Bayern trotz des 2:1-Sieges über Alemannia Aachen immer „noch nicht rund läuft“, wie Trainer Felix Magath sagte. Denn sicher war Kahns Frustgeste auch der bis dahin schwachen Vorstellung seiner Teamkollegen geschuldet.

„Wir sind erst aufgewacht, als es 0:1 stand“, resümierte Magath anschließend, seine Mannschaft habe zu wenig Druck entwickelt und erst „nach der Pause eine Phase gehabt, in der wir nach vorn gut gespielt haben“. Diese Phase dauerte in etwa eine Viertelstunde, und dank der Tore von Claudio Pizarro und Mark van Bommel reichte sie zum Sieg gegen muntere, aber zu harmlose Aachener, die zudem Pech hatten: Einen Treffer zum 2:2 erkannte Schmidt wegen angeblicher Abseitsstellung nicht an – eine von mehreren Fehlentscheidungen, die in der Summe wohl das Urteil „ausgleichende Ungerechtigkeit“ verdienten.

Während Michael Frontzeck, Alemannias Trainer, sagte: „Wir haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten“ und die Aachener die Niederlage als erwartbaren Ertrag ihres Betriebsausflugs akzeptierten, redeten die Bayern ihre erneut mäßige Darbietung keineswegs schön. „Das ist noch nicht so, wie wir uns das vorstellen“, sagte Manager Uli Hoeneß, der Mannschaft mangele es an Selbstvertrauen, „weil ihr der Rhythmus fehlt“. Noch deutlicher wurde Mark van Bommel, der Schütze des Siegtores: „Wir müssen noch viel besser spielen, um oben mitzuhalten“, sagte der Niederländer, „wir spielen oft mit zu hohem Risiko, das ergibt Ballverluste, und das kostet Kraft.“

Dass die Bayern ihre kurzzeitig intensivierten Offensivbemühungen nach dem 2:1 wieder weitgehend einstellten, mochte Magath seiner Mannschaft jedoch nicht verübeln. Die Spieler seien in vier Wettbewerbe eingebunden, „da finde ich es mehr als okay, wenn sie sich darauf beschränken, das Ergebnis zu verwalten“. Zudem, wandte Magath strafmildernd ein, hätten seine Spieler ja das Champions-League-Spiel bei Inter Mailand am kommenden Mittwoch im Hinterkopf gehabt.

Zumindest nach dem Spiel galt das für Oliver Kahn. Dass er nach dem Spiel Richtung Oktoberfest aufbrach, ließ sich schwerlich leugnen, gleich nach dem Duschen war er in eine fesche Tracht geschlüpft. Er werde dort aber nur etwas essen und „mit Handbremse“ feiern, versicherte der Torwart. Zum Spiel sagte er übrigens noch, dass er es „generell problematisch finde, dass die Schiedsrichter in der Bundesliga immer gleich alles abpfeifen“, man könne sich so nicht an die Gangart in internationalen Wettbewerben gewöhnen. Die Leistung von Markus Schmidt wollte er allerdings nicht kritisieren. Aus dem Alter ist er raus.

Daniel Pontzen[München]

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