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Sport: Raus aus der Depression

Mit recht einfachen Methoden führt Trainer Thorsten Fink den Hamburger SV beim Sieg in Mainz aus der Krise.

Mainz - Heung-Min Son hätte noch ein weiteres kunstvoll erzieltes Tor schießen können, als der Mainzer Torwart Wetklo seinen Arbeitsplatz beim letzten Eckball verlassen hatte. Sons Kollegen verhinderten die Schlusspointe für den FSV Mainz 05 und brachten den koreanischen Stürmer des Hamburger SV in eine verlockende Schussposition beim anschließenden Konter. Wetklo war noch unterwegs zurück zum eigenen Tor, das verführerisch leer dastand. Son aber, der zuvor das 1:0 und das 2:0 erzielt hatte, gab zu, dass er „am Ende keine Kraft mehr hatte zum Schießen“. Aber auch ohne seinen dritten Treffer empfand Son den Nachmittag in Mainz als „einen Traum“. Für ihn und seinen Verein war das zuletzt eher selten der Fall. „Jeder weiß, dass wir sehr schlechte Zeiten hatten“, sagte Son nach dem 2:1-Sieg in Mainz. „Aber heute haben wir sehr gut und motiviert gearbeitet.“ Als Tabellenachter kann der HSV nun sogar wieder das Erreichen eines Europa-League-Platzes ins Auge fassen.

Son war wichtiger Teil des Umbau- und Selbstbesinnungsprogramms, das Trainer Thorsten Fink seinem Team in der vergangenen Woche auferlegt hatte. Der Südkoreaner durfte seit langem mal wieder zentral stürmen, mit dem neuen Kapitän Rafael van der Vaart hinter sich. Der Holländer ist eine Art Tutor für Son. „Er ist sehr wichtig für uns“, lobte der 30 Jahre alte Niederländer den 20 Jahre alten Südkoreaner, „ich denke, für Sonny wäre es besser, wenn er noch bleibt. Bei den großen Klubs kann man leicht auf der Bank landen.“ Der HSV-Vorstand, der in diesem Geschäftsjahr ein Minus von angeblich 20 Millionen Euro vermelden wird, überlegt noch, ob er den bis 2014 gebundenen Offensivspieler halten oder zum Saisonende für viel Geld abgeben soll. Fink riet zur Vertragsverlängerung mit Son. „Er will das auch und weiß, dass ich auf ihn baue.“

Des Trainers Plan mit Son und van der Vaart in der Offensive ging gegen seltsam matte Mainzer auf, auch weil die ganze Mannschaft gewillt war, aus der spätwinterlichen Depression herauszukommen. Fink hat den HSV in der vorigen Woche wieder aufgemöbelt. Van der Vaarts Beförderung zum Kapitän machte sich bezahlt, weil der Holländer eine seit Wochen nicht mehr gesehene Spielfreude offenbarte und sein Vorgänger Heiko Westermann hochkonzentriert wie lange nicht verteidigte. Dazu hatte Fink seine Spieler aufgefordert, „Gras für den Verein zu fressen“, wollten sie nicht ihre Arbeitsplätze beim HSV gefährden. Die altdeutsche Fußballrhetorik wurde zumindest verstanden. „Die Mannschaft hatte von Anfang an eine gute Ausstrahlung“, lobte Fink.

Der Trainer, während der vergangenen Woche mal strenger Erzieher, mal Freund der Spieler, hatte seinem Team den letzten Kick mit der Vorführung eines 35-minütigen Videos gegeben, „in dem wir gezeigt haben, was wir früher besser gemacht haben“. Es wirkte. „Wir haben uns wieder getraut, Bälle zu fordern und Fußball zu spielen“, sagte Fink. Der bessere Geist in der Mannschaft offenbarte sich ganz zum Schluss auch in einer symbolischen Handlung. Als van der Vaart in der Nachspielzeit vom Feld ging und Artjoms Rudnevs für ihn kam, warf er seinem Vorgänger Westermann die Kapitänsbinde wie selbstverständlich zu. „Das ist ein gutes Zeichen, dass wir die richtigen Charaktere haben, sagte Thorsten Fink. Roland Zorn

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