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© AFP

Real Madrid: Wieder eine Mannschaft

Die "Königlichen" feierten den ersten Titel seit vier Jahren überschwänglich. Selten war eine Meisterschaft fürs Selbstbewusstsein eines großen Vereins notwendiger als die dreißigste in der Geschichte von Real Madrid.

Um 22:38 Uhr war Real Madrid Spanischer Meister. Zehn Minuten vor Abpfiff gab es im Santiago-Bernabeu-Stadion kein Halten mehr, weder auf der Bank noch auf den Rängen. Den Tränen nah lagen sich die Spieler in den Armen, im Stadion nahmen die „Campeones, campeones“-Rufe kein Ende mehr. Jose Antonio Reyes, der bereits kurz nach seiner Einwechslung das Ausgleichstor gegen RCD Mallorca erzielt hatte, hatte zum 3:1 nachgelegt; zwei Minuten zuvor hatte Mahamadou Diarra Real in Führung gebracht. Das Stadion tobte.

Seit 2003 hatten die Weißen keinen Grund mehr für Jubelfeiern gehabt. Selten war eine Meisterschaft fürs Selbstbewusstsein eines großen Vereins notwendiger als die dreißigste in der Geschichte von Real Madrid. Und: Selten war ein Ligafinale spannender als dieses. Seit Wochen lieferten sich die beiden punktgleichen Großen ein packendes Kopf-an- Kopf-Rennen. Am Sonntag schien es 77 Minuten lang so, als könnte der FC Barcelona doch wieder überholen. Nachdem in Madrid der Mallorquiner Fernando Varela in der 17. Minute seinen hochmotivierten Klub in Führung gebracht hatte und vier Minuten später Carles Puyol in Tarragona das erste von insgesamt fünf Toren für Barcelona erzielte, entkorkten auf den Ramblas in Barcelona die Fans bereits die ersten Cava-Flaschen. Am Ende blieb ihnen nichts anderes übrig, als damit den Frust herunterzuspülen. Auf den katalanischen Bildschirmen flimmerten die Bilder von der Jubelfeier in Madrid. Eine halbe Million Menschen tanzte um den Brunnen der Fruchtbarkeitsgöttin Cibeles, als Mannschaftskapitän Raul der Dame den Klubschal umhängte und ihr einen Kuss aufs steinerne Haupt drückte.

Noch im März hatte keiner mehr an Madrid geglaubt. Aus der Champions League im Achtelfinale ausgeschieden, betrug Reals Rückstand auf die Katalanen sechs Punkte. Die Mannschaft litt unter den vorangegangenen Querelen. Wegen mangelnder Erfolge kursierten schwarze Listen im Klub, Ronaldo hatte man nach Italien verschachert, Beckham nach der Bekanntgabe seines Wechsels zu LA Galaxy zunächst auf die Tribüne verbannt. Regelmäßig wehten im Santiago-Bernabeu-Stadion weiße Taschentücher: Die Fans forderten den Rücktritt von Vereinspräsident Ramon Calderon, von Trainer Fabio Capello, oder gleich von beiden.

Es war das 3:3 im Auswärtsspiel beim Erzrivalen aus Barcelona, das die Wende brachte. Nicht nur, weil es letztendlich über den Titel entschied – in Spanien gibt bei Punktgleichheit der direkte Vergleich den Ausschlag und Real hatte das Hinspiel 2:0 gewonnen –, sondern auch weil Real Madrid sich seitdem wieder als Team fühlt. In den letzten zwölf Spielen unterlagen die Weißen nur einmal; und häufig erzielten sie die Tore in der allerletzten Minute. So war es in der vorletzten Runde, so war es auch am Sonntag. Kein kunstvolles Kombinieren ermöglichte den Sieg, sondern der unbedingte Wille zu gewinnen, der in Madrid erst wach wird, wenn alles verloren scheint.

Ob der Meistertrainer Fabio Capello in Madrid bleibt, steht noch nicht fest. Sein Vertrag läuft noch über zwei Jahre. Sportdirektor Predrag Mijatovic wollte sich nicht festlegen: „Capello soll erst einmal den Titel genießen, später fällen wir dann Entscheidungen.“ Bernd Schuster, der seit Monaten als möglicher Nachfolger gehandelt wird, signalisierte seine Bereitschaft. „Ich habe mich schon seit längerer Zeit darauf vorbereitet,“ sagte der Trainer des FC Getafe, „Real ist schon ein bisschen in meinem Konzept drin.“

Es könnte gut sein, dass Capello, der bereits vor zehn Jahren Madrid zum Meister machte, die Trophäe nicht einmal zu Gesicht bekommt. Wenn bis zum letzten Spieltag alles offen ist, wird der Pokal erst zu Beginn der nächsten Saison übergeben. Vielleicht nutzte der Italiener die Pressekonferenz deshalb zur Abrechnung. Der Vereinspräsident habe ihn zu wenig unterstützt; die Presse ihn von Anfang an in die Ecke gedrängt. Dann warf Capello einen Seitenblick auf sein unablässig fiependes und vibrierendes Handy. „Plötzlich sind alle meine Freunde“, spottete er. Fragt sich nur, ob die Freundschaft den Sommer überdauert.

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