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Sport: Realer Wahnsinn

Madrid steht vor dem Titelgewinn, weil Barca trotz Messis Handtor patzt

Es waren wohl die dramatischsten achtzehn Sekunden in der jüngeren Geschichte der Primera División. Sie hatten alles, was ein grandioser Liga-Endspurt braucht: große Emotionen, überraschende Tore und zwei Rivalen, deren Schicksal trotz Hunderter Kilometer Entfernung magisch verknüpft schien. Im Fernduell, das der FC Barcelona und Real Madrid seit Wochen austragen, wurde die 89. Minute zur Schicksalsminute.

Barcelona führte im Lokalderby gegen Espanyol eine Minute vor Abpfiff 2:1, da ging ein Raunen durch das katalanische Stadion. Ruud van Nistelrooy hatte im 308 Kilometer entfernten Saragossa das 2:2 für Real Madrid erzielt. Wenige Sekunden später erzielte Espanyols Torschützenkönig Raúl Tamudo mit seinem zweiten Treffer den Ausgleich gegen den FC Barcelona. Zweimal 2:2, das heißt nach spanischer Fußball-Arithmetik: Real Madrid führt die Tabelle aufgrund des direkten Vergleichs weiter vor den punktgleichen Katalanen an. Barça verschenkt den Sieg und damit wohl auch die Meisterschaft. Real hat es nun selbst in der Hand, sich am Sonntag im heimischen Bernabéu-Stadion mit einem Sieg über RCD Mallorca den Titel zu sichern.

„Mathematisch ist ein Sieg noch möglich“, sagte Barcelonas Trainer Frank Rijkaard und versuchte, Hoffnung zu verbreiten. Dann aber gestand er sichtlich geknickt ein: „Wir haben eine großartige Chance vergeben. Das war ein sehr harter Schlag für uns.“ Xavi Hernandez, zentraler Mittelfeldspieler, übte harsche Selbstkritik: „Wir haben die Liga verschenkt. Das lag am Konzentrationsmangel der ganzen Mannschaft.“

Dabei schien es eine gute Dreiviertelstunde so, als dürfte sich der Verein doch noch zum dritten Mal in Folge Spanischer Meister nennen. Dank Lionel Messi. Das Wunderkind, bei dem die Vergleiche mit seinem Landsmann Maradona schon zur Gewohnheit geworden sind, lupfte den Ball gegen Ende der ersten Halbzeit zum ausgleichenden Tor in die Maschen – mit der linken Hand, exakt wie sein großes Vorbild 1986 beim WM-Viertelfinale gegen England. Nach einem präzisen Pass von Deco schoss „Maradonito“ seinen Verein dann in der 56. Minute regelkonform in Führung. Das Stadion feierte den 19-Jährigen mit „Messi, Messi“-Rufen. Was den Culés in der letzten Saison Ronaldinhos virtuose Ballzaubereien, sind ihnen in diesem Jahr die schnellen Dribblings und die ansteckende Spielfreude des Argentiniers. „Nicht einmal die Hand Gottes kann Barça zum Sieg verhelfen“, lästerte das Sportblatt „As“. Messis Maradonesken blieben diesmal nur Anekdote. Denn wie schon so häufig in dieser Saison gelang es Erzrivale Real Madrid buchstäblich in letzter Minute, ein mäßiges Match zu drehen. Und wieder war dabei auf David Beckham und van Nistelrooy Verlass. Nachdem der Holländer mit einem Kopfballtreffer schon den 0:1-Rückstand egalisiert hatte, erzielte er auch in der Schlussminute den ersehnten Ausgleich. „Heute haben wir nicht gut gespielt“, sagte der Torschützenkönig Spaniens, „aber die Mannschaft hat stets Entschlossenheit gezeigt. Deshalb – und dank Barça – haben wir das Problem gelöst. Dass Espanyol noch ausgleichen konnte, ist unglaublich!“

Real Madrid dürstet es so sehr nach dem ersten Titel seit vier Jahren, dass selbst Vereinspräsident Ramón Calderón die Etikette vergaß und das Unentschieden mit einer Ehrenrunde und Tränen in den Augen auf dem Rasen feierte. In Madrid strömten fast Tausende Anhänger am Cibeles-Platz zusammen und probten die Meisterschaftsfeier. Unterdessen warnte Mallorcas Trainer Gregorio Manzano: „Wartet mal ab! Real muss erst noch gegen uns spielen.“

Der FC Sevilla, der gegen Mallorca 0:0 spielte, hat sich aus dem Rennen um die Meisterschaft verabschiedet. Die beiden Großen müssten am letzten Spieltag verlieren, damit die Andalusier nach 61 Jahren wieder Meister werden würden.

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