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Sport: Rechnungen begleichen

Als Jörg Lütcke drei Minuten vor Schluss mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Werbebande vor der Spielerbank von Alba Berlin kauerte, sah er nicht wie ein strahlender Sieger aus. Grotesk stand der linke Mittelfinger des Nationalspielers ab, bevor er von der medizinischen Abteilung des amtierenden Meisters wieder eingerenkt wurde.

Als Jörg Lütcke drei Minuten vor Schluss mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Werbebande vor der Spielerbank von Alba Berlin kauerte, sah er nicht wie ein strahlender Sieger aus. Grotesk stand der linke Mittelfinger des Nationalspielers ab, bevor er von der medizinischen Abteilung des amtierenden Meisters wieder eingerenkt wurde. Etwaige Schmerzen, die Lütcke gehabt haben dürfte, verflogen indes wenige Minuten später, als der 87:72 (47:37)-Erfolg der Berliner bei Tabellenführer Rhein Energy Cologne fest stand. Die Berliner sind nun mit zwei Punkten Rückstand Zweiter.

"So langsam fangen wir an, alte Rechnungen zu begleichen, die seit Beginn der Saison offen sind", sagte Albas Marko Pesic. Für den Klub war dies der Auftakt der Wochen der Wahrheit, in denen es vor den Play-offs noch gegen alle Meisterschaftsfavoriten geht. Für Pesic hatte der Sieg allerdings auch einen persönlichen Stellenwert: Es war der erste Erfolg gegen ein Team, das sein Vater Svetislav trainiert. Noch im Hinspiel hatte es gegen die Liganeulinge eine bittere 76:85-Niederlage gesetzt. Ausgerechnet gegen Köln, den Klub von Svetislav Pesic und Sportmanager Stephan Baeck. Die beiden Ex-Albatrosse hatten in Köln das Berliner Modell in Rekordzeit nachgebaut - unter anderem mit einigen ehemaligen Spielern der Berliner. Von Wachablösung war seinerzeit die Rede gewesen und dem Ende der Ära Alba. Das davon keine Rede sein kann, bewiesen die Berliner gestern.

Zum Rückspiel traten beide Teams ersatzgeschwächt an. Bei Berlin fehlte überraschend Spielmacher Derrick Phelps wegen einer Grippe. Köln musste auf seine Aufbauspieler Sasa Obradovic und Vladimir Bogojevic, beide ehemalige Berliner, verzichten. Ihre Rolle nahmen der erst 19-jährige Johannes Strasser vom Kooperationspartner Rhöndorf und Babis Doloudis ein. Alba übte großen Druck auf die unerfahrenen Kölner Playmaker aus. Die Folge: Die Hausherren fanden keinen Rhythmus und verzettelten sich mit Einzelaktionen.

Ganz anders die Berliner. Hoch konzentriert und effizient agierten sie, während das Team von Svetislav Pesic nur reagieren konnte. So legte Alba bereits im ersten Viertel den Grundstein zum Sieg und spielte eine 30:20-Führung heraus. Maßgeblichen Anteil daran hatte Jörg Lütcke. Der Nationalspieler entnervte Kölns Topscorer Clint Cotis Harrison mit seiner engen Verteidigung und erlaubte dem US-Amerikaner nicht einen Korberfolg im ersten Durchgang. Nach dem Seitenwechsel legten die Berliner, bei denen Wendell Alexis (18) und Dejan Koturovic(15) die besten Werfer waren, noch einmal nach und führten bereits mit 19 Punkten, bevor im dritten Viertel die spielerische Linie verloren ging. "Ich bin mit der Partie eigentlich hoch zufrieden", sagte Albas Trainer Emir Mutapcic, "doch wir waren zwei, drei Minuten unaufmerksam und das hat uns fast das Spiel gekostet." Es war ein Rückfall in eigentlich schon überstanden geglaubte Zeiten. Plötzlich reihte sich Fehlpass an Fehlpass und im Gegenzug trumpfte der frühere Berliner Drazan Tomic auf. Er übernahm den Aufbau und brachte sein Team bis auf 70:71 heran. Doch dann beendete das fünfte Foul von Zoran Kukic (21 Punkte), der daraufhin nicht mehr weiterspielen durfte, die Aufholjagd.

"Alba hat heute das beste Spiel der Saison gemacht. Wir waren zwar noch einmal dran, haben aber dann zu schnell und nervös Entscheidungen getroffen", sagte Svetislav Pesic. Viele schlaflose Nächte dürfte die Niederlage ihm nicht bereiten. Schon kurz nach Spielende hatte Pesic noch einen kleinen Seitenhieb für seinen Sohn parat. "Das war das dritte Mal, dass du gegen mich gewonnen hast", raunte er dem verwunderten Marko zu. Das erste Mal, das einzige Mal und das letzte Mal."

André Voigt

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