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Lass dich herzen, mein Sohn. Mateschitz gratulierte seinem Piloten Sebastian Vettel persönlich zum ersten Formel-1-Titel.

© REUTERS

Red Bull: Der Vater und seine Champions

Um den Verkauf seiner Getränkedosen zu steigern, hat Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ein weltumspannendes Sportimperium errichtet.

Von Christian Hönicke

Vermutlich wird Corinna Schwiegershausen heute um acht Uhr Formel 1 schauen. Dann fährt Weltmeister Sebastian Vettel in Südkorea, und Schwiegershausen fühlt sich ihm besonders verbunden, seit sie ihn einmal in São Paulo in der Boxengasse traf. „Man fiebert schon auch mit und schaut, wie die Athleten aus der Familie abschneiden“, sagt sie. „Ich komme zum Beispiel aus Bremen und bin Werder-Fan, aber ich freue mich auch, wenn Mario Gomez für Bayern trifft.“ Denn die viermalige Drachenflug-Weltmeisterin Schwiegershausen gehört wie Gomez, Vettel und der neue Surfweltmeister Philipp Köster zur Red-Bull-Familie. Der österreichische Getränkevertreiber ist der derzeit wohl größte private Sportsponsor der Welt.

Etwa 1,4 Milliarden Euro, ein Drittel des Umsatzes, gibt Red Bull für Marketing aus – davon wandert wiederum die Hälfte in den Sport. Knapp 600 Athleten und diverse Firmenteams in fast jeder aufmerksamkeitsträchtigen Disziplin hat Dietrich Mateschitz unter Vertrag. Der Konzerngründer tut das nicht aus Nächstenliebe, sondern weil er weiß: Red Bull braucht den Sport – als existenziellen Teil der Marketingstrategie. Denn niemand ist besser als Markenbotschafter für ein Energiegetränk geeignet als jugendliche, energiegeladene Sieger.

Am Anfang suchte Red Bull sein Publikum noch vorwiegend in unkonventionellen Szenesportarten. Per Casting wurde so auch die Drachenfliegerin Schwiegershausen an Red Bull vermittelt. Mit dem wachsenden Erfolg der Dose kam der Einstieg in Massensportarten; inzwischen hat Mateschitz auch Basketball, Kricket, Biathlon, Leichtathletik, Motorsport, Golf, Beachvolleyball, Kanu, Ski nordisch und alpin, Eishockey und Fußball im Portfolio.

Dabei legt der 67-Jährige Wert darauf, kein klassischer Sponsor zu sein. Nur irgendwo das Logo draufzukleben, passe nicht zur Firmenphilosophie. Mit seinen Sportaktivitäten verkauft der Milliardär konservative Ideale wie Langfristigkeit und Treue. Legionärstruppen zusammenzukaufen, sei „keine Kunst“, sagt er: „Wir müssen authentisch sein. Und das geht nur, wenn wir von null anfangen.“

Deswegen formt der Firmenvater seine Champions am liebsten selbst. Der Heppenheimer Vettel war zwölf Jahre alt, als er zu Red Bull kam und dort zum Weltmeister aufgebaut wurde. „Respekt“, sagt Daniel Unger dazu, „einen so langen Atem hat nicht jeder Sponsor.“ Der Triathlet steht ebenfalls bei Red Bull unter Vertrag und schwärmt, man könne sich „auch mal ein schlechteres Jahr erlauben“, ohne gleich aus der gelobten Familie verstoßen zu werden. Schwiegershausen behauptet gar: „In den ganzen 14 Jahren hatte ich nie was Schriftliches in der Hand.“

Red Bulls langfristige und sportartenübergreifende Philosophie erinnert an das Engagement von Bayer, bevor die deutsche Chemiefirma sich auf den Fußball konzentrierte. Anders als Bayer hat Red Bull das Konzept der Verortung aber fast komplett aufgelöst. Was 1988 vor der Haustür beim Salzburger Eishockeyklub begann, ist inzwischen ein weltumspannendes Sportimperium geworden, mit allem, was dazugehört: Kooperationen, Nachwuchsakademien, Trainingszentren. Über den ganzen Planeten sind zahlreiche Teams und Klubs verteilt, die wie Tochterunternehmen geführt werden. An den entscheidenden Stellen sitzen Mateschitz’ Statthalter, die in letzter Konsequenz im Sinne der Dose handeln. Etwa der frühere Formel-1-Rennfahrer Helmut Marko, der Red Bulls Motorsportprogramm überwacht und neben dem Erfolg auf der Strecke auch immer den Erfolg am Getränkekiosk im Hinterkopf hat. So weiß Marko, dass Deutschland dank Vettels Erfolg 2010 der einzige etablierte Red-Bull- Markt war, der zweistellig wuchs.

Derweil bastelt Mateschitz immer weiter an immer neuen Vettels für „die Märkte“, wie Red Bulls Analyseabteilung für Angebot und Nachfrage intern heißt. Er hat den früheren Österreichring gekauft und lässt ihn zur Zentrale der unternehmenseigenen Motorsportakademie ausbauen. Außerdem soll endlich der quotenträchtige Fußball erobert werden. Mit seinem Salzburger Stammklub, den er 2005 übernahm, errang Mateschitz zwar die Österreichische Meisterschaft. Doch nach dem mehrfach gescheiterten Versuch, die erste Marketingliga (sprich Champions League) zu erreichen, soll das nun von Deutschland aus gelingen.

Nach Mateschitz-Art wird bei null angefangen: Das Kicker-Ground-Zero Leipzig soll bald zur Hauptstadt der roten Fußballwelt werden. Dafür wurden der Fünftligist SSV Markranstädt übernommen, ein Nachwuchszentrum eingerichtet und die Namensrechte am Leipziger WM-Stadion für 30 Jahre eingekauft. In fünf bis sechs Jahren soll Leipzig in der Ersten Liga spielen. Wie ernst es Mateschitz mit dem Angriff auf die Weltsportart Nummer eins ist, beweisen zudem die Kooperation mit Real Madrid, die Talentschmieden in Brasilien und Ghana und die Firmenklubs in Rio und New York nebst Stadion.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wo das geheime Herz des Red-Bull-Imperiums schlägt und nach welchen Kriterien der Konzern seine Sportler auswählt.

Red Bull Salzburg ist derzeit die erfolgreichste Fußballmannschaft des Getränke-Herstellers. In den nächsten Jahren soll in Deutschland der RB Leipzig für Aufmerksamkeit sorgen.
Red Bull Salzburg ist derzeit die erfolgreichste Fußballmannschaft des Getränke-Herstellers. In den nächsten Jahren soll in Deutschland der RB Leipzig für Aufmerksamkeit sorgen.

© dapd

Das geheime Herz der Red-Bull-Sportwelt schlägt trotz der globalen Ausrichtung immer noch in Thalgau bei Salzburg, im sogenannten DTC, dem „Diagnostics & Training Center“ für Red-Bull-Athleten. „In Thalgau treffe ich alle vom Skispringer über Cliffspringer bis zum Formel-1-Fahrer“, sagt Unger und zählt auf, was die Sportler dort erwartet: Fitnessstudio, Ergometer, Laufband, Fahrrad, Kameras, mit denen man Torschüsse analysieren kann, Physiotherapeuten, Psychologen, Sportmediziner, Sportwissenschaftler, Gesundheitschecks, Leistungstests, psychologische Betreuung. „Das ist schon fast eine gewisse Verpflichtung, dass man auch dementsprechend Leistung bringt.“ Keine gute Referenz für Red Bulls Sportprogramm ist es allerdings, dass der ehemalige DDR-Dopingarzt und Stasi-Mitarbeiter Bernd Pansold als Leiter des DTC die Leistung aus den Sportlern herauskitzeln soll.

Wenn man ihn auf Pansold anspricht, verliert selbst Mateschitz die firmentypische Lässigkeit. Überhaupt lässt man sich am Konzernsitz in Fuschl am See nicht gern hinter die silbrig glänzende Fassade blicken. „Ich bin seit zehn Jahren bei Red Bull und habe eigentlich noch nicht miterlebt, dass wir jemanden durchs Haus geleitet haben“, sagt die Sprecherin Kirsten Veil-Schmidt. „Wir lassen lieber die Sportler sprechen, die haben die interessanteren Sachen zu erzählen.“

Dabei gibt es durchaus Interessantes aus der Zentrale zu berichten. Die Salzburger sponsern häufig nur einen Athleten pro Sportart, doch der ist geschickt ausgewählt. Der sportliche Erfolg sei der Schlüssel, sagt Unger, aber das ganze Drumherum sei für Red Bull sehr wichtig. „Die möchten eine möglichst breite Masse erreichen, und das schafft man nur mit Paradiesvögeln. Mit Jungs, die ein bisschen anders sind als andere.“ Ausgesucht werden diese Paradiesvögel von den sogenannten Athletenbetreuern, meist ehemalige Sportler. „Gerne wird man auch von anderen Athleten vorgeschlagen“, sagt Schwiegershausen. „Wir wissen, wer ins Team passt und was man zurückgeben muss.“

In der Anbandelungsphase ist man „Friend of Red Bull“, eine Art assoziierter Verdecktwerber ohne Vertrag. Wer sich bewährt, wird in die Familie aufgenommen, und dann will Red Bull vor allem eines: den Kopf des Sportlers. „Es haben schon andere Sponsoren angefragt, ob sie auch auf Helm oder Mütze dürfen, aber die haben Red Bull exklusiv“, sagt Unger. „Wenn man mal ein Interview mit einem Foto hat oder im Fernsehen ist – den Kopf kann man nicht rausschneiden.“

Auch den Trick mit dem Kopf hat Dietrich Mateschitz ersonnen, getreu seinem Motto: „Wir sind Red Bull.“ Aber ganz ohne das verhasste Logo-Aufkleben kommt auch der Meister der Authentizität nicht aus. Die koffeinhaltige Brause selbst wird gar nicht von Red Bull hergestellt. Das erledigt die Firma Rauch Fruchtsäfte, für nicht einmal 25 Cent pro Dose. Red Bull klebt nur noch das Logo drauf.

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