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Sport: Reden ist Silber, Schweigen ist Stevens

Herthas Trainer hat sich in dieser Woche zum Fall Marcelinho nicht geäußert – aber er spürt den Druck, siegen zu müssen

Von André Görke und

Klaus Rocca

Berlin. Dieter Hoeneß war fertig. Fast eine Stunde hatte er geschimpft, über Marcelinho, über falsche Freunde und fehlenden Erfolg. Als sich der Manager von Hertha BSC beruhigt hatte, sagte plötzlich Trainer Huub Stevens: „Mensch, jetzt habt ihr ja richtig was zu schreiben, oder?“ Es war sein erster Satz nach einer Stunde des Schweigens. Das war am Montag. Bis gestern hat Huub Stevens nicht mehr viele Worte hinzugefügt. Er hat in erster Linie geschwiegen. Vielleicht um die Mannschaft sprechen zu lassen, am Samstag auf dem Platz gegen 1860 München.

Vielleicht aber hat der Trainer auch deshalb geschwiegen, weil ihm der Wirbel um Marcelinho gar nicht so ungelegen kam. Lenkte er doch ein bisschen von der sportlichen Misere ab. Die Bilanz der letzten Wochen ist mager: 0:0 gegen Bielefeld, ausgeschieden im Uefa-Cup, schließlich die 0:1-Niederlage beim Hamburger SV – Hertha ist wieder an jenem Punkt angelangt, den Manager Hoeneß hinter sich glaubte: in der lästigen Verfolgerrolle.

Zeit, um über Verantwortliche für die Misere zu reden, blieb in dieser Woche nicht. Dafür sorgte auch Herthas Manager Hoeneß, dessen Worte zur Affäre Marcelinho und Co. auf den täglichen Pressekonferenzen im Vordergrund standen. Stevens saß daneben, nickte ab und zu – und schwieg. Als es für drei, vier Minuten um Sportliches ging, sagte Stevens nur: „Wichtig ist, wo wir nach 34 Spieltagen stehen, und nicht nach zehn oder fünfzehn.“ Erst als Stevens immer mehr gedrängt wurde, sich zu Marcelinho und dessen Nominierungs-Chancen für das Bundesligaspiel am heutigen Samstag im Olympiastadion zu äußern, sagte er sinngemäß, er werde doch die Mannschaft nicht schwächen, indem er den Brasilianer nicht in den Kader berufe. Eine zusätzliche disziplinarische Maßnahme neben der Geldstrafe wollte er also nicht ergreifen. Sie hätte seine Person mehr ins Rampenlicht rücken können. Was Stevens bewusst vermied.

Auch als das klärende Gespräch mit Marcelinho stattfand, war Stevens nicht dabei – nur Manager Hoeneß und Mannschaftskapitän Michael Preetz. Herthas Pressesprecher Hans-Georg Felder wiegelt auf Nachfrage schnell ab, um den Trainer in Schutz zu nehmen: „Nicht, dass da falsche Gedanken aufkommen: Der Termin war wirklich spontan.“ Dass Manager und Kapitän überhaupt auf der Geschäftsstelle gewesen seien, „das war Zufall“. Stevens störte dieser Zufall nicht. „Ich musste nicht dabei sein, wir reden oft genug miteinander“, sagte Stevens am Freitag dem Tagesspiegel.

Natürlich spürt auch Stevens den Druck. Und er hat seine eigene Art damit umzugehen. „Der Druck von außen, der interessiert mich nicht“, sagt er. „Wichtig ist doch, dass ich mir diesen Druck selbst mache, oder?“ Stevens ist für ein paar Sekunden vor der Kabinentür stehen geblieben, sein Blick ist ruhig, konzentriert, er kennt diese Fragen nach der Verantwortung des Trainers. „Ich muss mir Druck machen, nicht ihr“, sagt er, und dann klopft sich Stevens zweimal auf die Brust, dorthin, wo das Herz schlägt. Der Ehrgeiz muss von innen kommen, soll das heißen, sonst hast du verloren in diesem Geschäft. Stevens hat jetzt einen sehr ernsten Blick, angespannt, aber nicht abweisend. Wenn sich Stevens so demonstrativ auf das Herz klopft, dann wirkt das etwas künstlich. Aber wer Stevens in den vergangenen Monaten beobachtet hat, der weiß: Das ist keine Show, das ist eben Stevens.

Dem Trainer ist schon klar: Es geht auch um seine Zukunft. Noch kam von höherer Stelle öffentlich kein Wort der Kritik, nicht vom Manager, nicht vom Präsidium, nicht vom Aufsichtsrat – nur von den Fans. Wenn die Mannschaft schlecht spielt, sind die „Stevens-raus“-Sprechchöre schnell zu hören. Dass sie seinen Namen nach einem Sieg rufen, ihn nach Abpfiff in die Kurve locken wollen, das kam bisher noch nicht vor.

Über die Affäre Marcelinho wird nach dem Spiel wohl kaum noch jemand reden. Über Trainer Huub Stevens schon. Er ist darauf vorbereitet.

André Görke, Klaus Rocca

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