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Ach, wie schön war’s im September... Herthas überragender Spielmacher Raffael tanzte die Dortmunder Weidenfeller (r.) und Schmelzer aus und schoss ein spektakuläres Tor. Foto: dapd

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Sport: Rehhagel? Rehhagel!

Der 73 Jahre alte Trainerpensionär soll Hertha vor dem Abstieg retten – gemeinsam mit René Tretschok, der heute gegen Dortmund zum ersten und letzten Mal alleinverantwortlich auf der Bank sitzt.

Berlin - Otto Rehhagel hat einmal erzählt, wann ihm das zum ersten Mal richtig klar geworden sei: „Du bis jetzt Fußballprofi!“ Wie er da im Sommer 1963 auf dem Theodor-Heuss-Platz stand und den Kaiserdamm hinunterblickte, es war schönes Wetter und man konnte bis zur Siegessäule schauen. „Da habe ich mir gesagt: Jetzt hast du es geschafft!“

Rehhagels Zeit bei Hertha BSC verlief nicht besonders spektakulär. 53 Bundesligaspiele, sechs Tore, nach dem Zwangsabstieg 1965 spielte er noch ein Jahr in der Regionalliga und zog dann weiter nach Kaiserslautern. Jetzt könnte der Kreis sich schließen. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung hat Hertha BSC den 73 Jahre alten Trainer Rehhagel dafür gewonnen, sein Domizil in Essen zu verlassen, um das Projekt Abstiegsverhinderung in Angriff zu nehmen. Ein Mitglied des Präsidiums bestätigte im Gespräch mit dem Tagesspiegel die spektakuläre Personalie. Demnach hat Rehhagel schon zugesagt, er soll heute das Spiel gegen Borussia Dortmund (15.30 Uhr) von der Tribüne des Olympiastadions aus verfolgen und zum Beginn der Woche seine Arbeit in Berlin aufnehmen. Nach Markus Babbel und Michael Skibbe wäre er der dritte Berliner Cheftrainer in dieser Saison.

Am Donnerstag trafen sich Herthas Manager Michael Preetz und Präsident Gegenbauer mit Rehhagel. Beide Seiten seien sich schnell einig geworden - auch, weil Rehhagel sich unverhofft noch einmal jenen Wunsch erfüllen konnte, von dem er schon bei seinem Langzeitengagement bei Werder Bremen besessen war: Einmal Hertha BSC trainieren, in der Stadt, die dem Malergesellen aus Essen einen ersten Geschmack der großen Welt vermittelt hatte. Damals war Hertha noch Stammgast in der Zweiten Liga und Rehhagel träumte von dem Marsch zurück nach oben. Da will Hertha jetzt bleiben. Mit Rehhagels Hilfe.

In Berlin soll er einem Modell vorstehen, wie es Borussia Dortmund in einer ähnlichen Situation im Jahr 2000 mit Matthias Sammer gewagt hatte. Sammer und Lattek schafften es damals, die Borussia in der Liga zu halten. Nach vollendeter Mission zog sich Lattek wieder zurück, eine längerfristige Beschäftigung lehnte er mit Verweis auf sein Alter ab. Auch mit Rehhagel ist ein bis zum Ende dieser Saison begrenzter Vertrag vereinbart worden. Zur neuen Saison soll angeblich der von seinem Burnout kurierte frühere Schalker Ralf Rangnick das Kommando übernehmen.

In Dortmund durfte damals Sammer bleiben. Seinen Part soll bei Hertha René Tretschok einnehmen, der heute zum ersten und vorerst letzten Mal in alleiniger Verantwortung die Mannschaft betreuen soll. Der 43 Jahre alte frühere Hertha-Profi sagt von sich selbst: „Ich bin hier nur der Jugendtrainer.“ Tretschok ist nicht im Besitz der vom DFB vorgeschriebenen Fußballlehrer-Lizenz und wird sich deshalb nach dieser Saison zurückziehen. Er hat den Vorzug, dass er die Mannschaft und den Verein kennt.

Rehhagel soll dazu seine Autorität einbringen und Disziplin in die Kabine bringen. Ein ähnliches Engagement hatte im vergangenen Jahr angeblich der FC Schalke 04 im Sinn, als der Klub sich von Felix Magath trennte und eine Übergangslösung suchte. Die Schalker nahmen jedoch Abstand von einer Verpflichtung Rehhagels, als sie sich mit dem damals gerade in Hoffenheim ausgestiegenen Ralf Rangnick einigen konnten.

Das Problem mit Rehhagel ist nur, dass er schon ein Weilchen raus ist aus dem Geschäft. Seine Tätigkeit als Nationaltrainer Griechenlands endete nach dem Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. In der Bundesliga saß er zuletzt am 30. September 2000 (!) beim 1. FC Kaiserslautern auf der Bank. Nach einem 1:1 daheim auf dem Betzenberg gegen Energie Cottbus war Schluss.

In einer ähnlich bedrängten Situation hatte Hertha schon im Jahr 2004 gesteckt, als ebenfalls der Abstieg aus der Bundesliga drohte. Damals gelang Preetz’ Vorgänger Dieter Hoeneß ein Glücksgriff mit Hans Meyer, der aus dem Ruhestand nach Berlin kam und die Mannschaft tatsächlich wieder auf Kurs brachte. Hertha hätte Meyer damals gern länger gehalten, aber der zog das Familienleben vor. Bei seinem erfolgreichen Kurzauftritt war er allerdings elf Jahre jünger, als es Otto Rehhagel heute ist.

Herthas Spieler dürfen sich schon mal auf einen Kulturschock einstellen. Rehhagel steht nicht gerade für modernen Fußball, und in den Internetforen lästern schon die ersten Fans, wer denn unter dem neuen Trainer künftig als Libero auflaufen wird.

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