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Sport: Reif für den Titel

Michael Schumacher meldet mit seinem Sieg auf dem Nürburgring Ansprüche auf die Weltmeisterschaft an

„Ich hoffe, es hat euch allen Spaß gemacht“, sagte Michael Schumacher, und die vielen tausend Fans mit den roten Kappen johlten zur Bestätigung. „Vielleicht klappt es ja auch beim nächsten Heimrennen am Hockenheimring.“ Einem hatte es ganz sicher nicht besonders viel Spaß gemacht, und der stand direkt neben ihm. Fernando Alonso trat still auf seinem Podestplatz umher, den Blick gesenkt, und ließ die Siegeszeremonie über sich ergehen, die nicht ihm galt. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen war der Formel-1-Weltmeister nach packendem Kampf von seinem Vorgänger geschlagen worden. Und wie beim vorangegangenen Rennen in Imola durfte Schumacher auch beim Großen Preis von Europa auf dem Nürburgring am Sonntag aufgrund der besseren Tankstrategie eine Podeststufe über Alonso stehen. „Es war ein tolles Rennen, eine tolle Strategie und eine tolle Performance“, sagte Schumacher. Mit ihm auf dem Podest freute sich sein Teamkollege Felipe Massa, der Dritter wurde.

Auch Nico Rosberg strahlte, allerdings mehr aufgrund seiner eigenen Leistung. Vom letzten Startplatz war der junge Williams-Pilot in beeindruckender Weise auf den siebten Platz und damit zu zwei WM-Punkten vorgefahren. „Ich bin glücklich“, sagte Rosberg, „aber das nächste Mal würde ich gern wieder etwas weiter vorn starten.“ Toyota-Pilot Ralf Schumacher war dagegen nach dem Ausfall kurz vor Schluss auf Platz sechs liegend eher wie Fernando Alonso zumute, auch BMW-Fahrer Nick Heidfeld sah in seinem zehnten Platz wenig Grund zur Freude.

Schon früh hatte sich angedeutet, dass auch auf dem Nürburgring die bessere Taktik entscheiden würde. Am Start hatte Alonso die acht Meter Vorsprung seiner Poleposition vor Schumacher verteidigt und war mit seinem Widersacher und dessen Ferrari-Teamkollegen Felipe Massa im Schlepptau schnell dem Feld davongezogen. Schumacher konnte Alonsos Tempo problemlos mitgehen, kam allerdings trotz rundenlangen Kampfs nie in die Position, um ein Überholmanöver zu starten – eine umgekehrte Analogie zum vorangegangenen Rennen. Die Entscheidung fiel folgerichtig wieder in der Boxengasse. „Ich wusste, dass wir eine gute Strategie haben, und dachte, wir könnten es schon beim ersten Stopp schaffen", sagte Schumacher. Alonso war wie erwartet mit weniger Sprit an Bord gestartet und musste ein Runde vor Schumacher zum ersten Nachtanken in die Box. Doch Ferraris Plan, nach einer schnellen Runde vor dem Renault-Piloten zurück auf die Strecke zu kommen, ging noch nicht auf. Schuld waren äußere Einflüsse, denen sich auch Niki Lauda später ausgesetzt sah, als ihm die Mütze vom kahlen Kopf flog. „Es war sehr windig“, sagte Schumacher. „Und auf dieser einen Runde hat mich in einer Kurve ein Windstoß fast von der Strecke geweht.“

Der siebenmalige Weltmeister hielt seinen Wagen auf Kurs, musste sich aber für ein paar weitere Runden hinter Alonso anstellen – bis der Spanier in der 38. Runde zum zweiten Mal Richtung Box abbog. Diesmal konnte der Deutsche gleich drei Runden länger auf der Strecke bleiben als der WM-Führende und wurde auch nicht durch den Eifelwind beeinträchtigt. „Beim zweiten Stopp mussten wir zu früh rein, dadurch war es unmöglich, vor Michael zu bleiben“, gab Alonso zu. „Es war eine Frage der Zeit, bis er mich kriegt. Ferrari war hier das ganze Wochenende über etwas schneller, der zweite Platz ist insofern das beste Resultat, das wir erreichen konnten.“ Nach dem Führungswechsel habe er noch zwei, drei Runden lang gekämpft, dann habe er aufgegeben und die Drehzahl gedrosselt, um den Motor für das Rennen in Barcelona zu schonen. „Dort werden wir wieder stärker sein“, kündigte der Spanier selbstbewusst an.

Dennoch: Die Vorstellung von Ferrari, das nun auch in Sachen Geschwindigkeit wieder zur alten Form gefunden zu haben scheint, hat die dringliche Frage nach der Titeltauglichkeit des Teams eindrucksvoll beantwortet. „Ich hatte niemals Zweifel, dass wir um die Weltmeisterschaft kämpfen können“, sagte Schumacher, der den Zweikampf nun auch offiziell ausrief: „Es dürfte keine Überraschung sein, wenn Renault und wir auch in Barcelona wieder vorn sind.“ Allerdings bemerkte er auch, dass ihn sein 86. Grand-Prix-Sieg „leider Gottes“ abermals nur zwei Punkte näher an Alonso herangebracht habe, „aber immerhin“. Nun beträgt der Rückstand noch 13 Zähler, und bei gleich bleibend niedrigem Reduktionstempo könnte der Deutsche frühestens beim Rennen auf dem Hockenheimring Ende Juli die WM-Führung übernehmen. Viel mehr Spaß könnte er seinen Fans beim nächsten Heimrennen mithin kaum bieten.

Christian Hönicke[Nürburgring]

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