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Sport: Reise ohne Ankunft

Verteidiger Atouba kämpft sich beim HSV durch

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin - Nahe der Eckfahne sank Thimothee Atouba zu Boden. Langsam, sehr langsam. Wie in Zeitlupe. Und ohne vorheriges Zutun eines Gegenspielers. Der Szene haftete eine gewisse Komik an. Im festen Glauben, da simuliere jemand eine Verletzung, johlte und pfiff das Publikum. Atouba, Abwehrspieler des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV, hielt sich derweil, am Boden liegend, den Oberschenkel. Sorgenvoll beobachtete die HSV-Bank, was sich da beim Spiel bei Energie Cottbus nach vier Minuten zutrug. Atouba musste ausgewechselt werden: Verdacht auf Muskelfaserriss.

Der Verdacht hat sich nicht erhärtet. Atouba kam glimpflich davon. Nur eine Muskelverhärtung, diagnostizierten die Ärzte am vergangenen Montag bei ihm. Seinem Einsatz im Bundesliga-Spitzenspiel in einer Woche gegen Schalke 04 steht nichts im Wege. Und Atouba wird gebraucht. Er ist auf der Position des Linksverteidigers bei Trainer Martin Jol eine feste Größe – inzwischen jedenfalls.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat der HSV Atouba einen Wechsel nahegelegt. Sportchef Dietmar Beiersdorfer hatte für die stolze Summe von acht Millionen Euro Marcell Jansen von Bayern München geholt. Ein Nationalspieler, auch Linksverteidiger – wie Atouba. Einen Spieler, für den ein Verein derart viel Geld ausgibt, lässt man nicht auf der Ersatzbank versauern. Prompt kam Bewegung in den HSV-Kader. An einem Freitagvormittag verschwand Atouba vom Trainingsgelände des HSV. Es hieß, er fliege nach England. Dort stünde für ihn ein Medizincheck an – bei Newcastle United. Der Klub aus der Premier League wolle den Nationalspieler Kameruns verpflichten.

In England ist Atouba nie angekommen. Am Nachmittag erschien er wieder zum Training – beim HSV. Was im Kopf Atoubas in den paar Stunden um die Mittagszeit ablief, darüber gibt es keine verbindlichen Auskünfte. Hamburger Boulevardblätter berichteten nur, dass Atouba auf der Fahrt zum Flughafen Fuhlsbüttel umgekehrt sei. Ihn habe die Einsicht ereilt, er wolle trotz der Konkurrenz durch Jansen lieber seinen bis 2009 laufenden Vertrag beim HSV erfüllen.

„Er hat es sich eben anders überlegt“, stellt HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer lapidar fest. Und: „Er bleibt vollwertiges Mitglied unseres Kaders.“ Sechs von sieben Saisonspielen hat Atouba bestritten. Martin Jol hat Marcell Jansen, damit der sich nicht völlig ins Abseits gedrängt fühlt, zuletzt ins linke Mittelfeld vorgeschoben. Jol sagt über Atouba: „Er ist hochmotiviert. Warum das so ist, ist mir egal.“ Die Vermutung liegt nahe, dass Atouba, als eigenwillig und etwas exzentrisch bekannt, die Konkurrenz nicht stört, sondern bloß anstachelt.

Auch Hamburgs Publikum hat sich mit dem 26-Jährigen versöhnt. Er hatte früher mal den Tribünenbesuchern als Reaktion auf deren Pöbeleien den gereckten Mittelfinger gezeigt. Als er unlängst beim 3:2-Sieg gegen Leverkusen kurz vor Schluss völlig ausgepumpt zur Auswechselbank ging, erhob sich das Publikum – um ihm stehend zu applaudieren.

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