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Ein Stück zu hoch. Ludger Beerbaum blieb im Einzel genau wie die anderen deutschen Springreiter ohne Medaille.

© dpa

Reit-EM in Aachen: Rummel mit Nachwirkung

Die Reit-EM in Aachen bot perfekt organisierte Wettkämpfe und so manche sportliche Enttäuschung. Gerade Deutschlands Springreiter mussten oft die Frage beantworten: "Was ist schief gelaufen?"

Die Stadt Aachen ist berühmt für ihr feuchtes Wetter, das auch im Sommer tagelang anhalten kann. Die Reiter kennen das. Beim jährlichen CHIO regnet es oft, und als 2006 die WM in der Soers stattfand, schüttete es sogar wie aus Kübeln. Mit der Reit-EM, die am Sonntag nach zwölf Tagen endete, hatten die Veranstalter mehr Glück. Das Wetter war blendend, die abschließenden Wettbewerbe der Springreiter sehr spannend – und so meldeten die Veranstalter am Sonntag, als die Einzel-Europameister in zwei Umläufen ermittelt wurden, zum zweiten Mal ein mit 40 000 Besuchern ausverkauftes Reit-Stadion. Nur die Eröffnungsfeier war genauso gut besucht. Jeroen Dubbeldam machte im Parcours das holländische Reitsport-Glück perfekt. Mit dem Wallach Zenith gewann der 42-Jährige den EM-Titel der Springreiter – vor dem Belgier Gregory Whatelet mit Conrad de Hus und dem Franzosen Simon Delestre mit Ryan des Hayettes. Das Oranje-Team räumte damit groß ab: Gold ging auch in den Spring- und Dressur-Mannschaften an die Reiter aus dem Nachbarland.

Die Springreiter

„Was ist schief gelaufen?“, lautete die Frage, die Deutschlands Springreiter in Aachen oft beantworten mussten. Ludger Beerbaum (mit Chiara), Meredith Michaels-Beerbaum (Fibonacci), Christian Ahlmann (Taboulet) und Daniel Deusser (Cornet D’Amour) ritten zwar nicht schlecht, aber nie perfekt. Weil jedem Mitglied der Equipe bereits am Freitag im Mannschafts-Wettbewerb Konzentrationsfehler unterliefen, gab es nur Silber. Und da es im Einzel am Sonntag genauso weiterging, kam Ahlmann auf den siebten, Michaels-Beerbaum auf den achten, Beerbaum auf den zwölften und Deusser auf den 24. Rang. Bundestrainer Otto Becker schaute sofort nach vorn. „Für mich haben heute schon die Spiele in 2016 Rio begonnen“, sagte er am Sonntag. Für Olympia ist das deutsche Team schon seit der WM 2014 qualifiziert.

Die Dressurreiter

Das Drama um Totilas, dessen sportliche Laufbahn die Besitzer am vergangenen Dienstag für beendet erklärten, wird nachwirken. Dass Matthias Rath mit dem 15-jährigen Hengst im Grand Prix startete, obwohl das Pferd ein offensichtliches Problem mit der linken Hinterhand hatte (spätere Diagnose: Knochenödem), warf nicht nur auf den Reiter ein schlechtes Licht, sondern auch auf die Verantwortlichen der deutschen Mannschaft. Sie hofften, der Rappe werde irgendwie durchhalten und der deutschen Equipe Gold bescheren. Es wurde – gerechterweise – nur Bronze hinter den Niederlanden und Großbritannien.

Zwei Damen retteten danach die Ehre der Dressur-Equipe: Kristina Bröring-Sprehe, mit Silber im Grand Prix Special und in der Kür dekoriert, lenkte ihren Desperados mit wunderbar leichter Hand durchs Viereck. Isabell Werth holte das Beste aus ihrem zweitbesten Pferd, dem Wallach Don Johnson heraus (Platz sieben und vier). Zudem hat sie mit Bella Rose noch ein hoffnungsvolles Pferd im Stall, mit dem sie in Rio viel erreichen kann.

Die Anderen

In Aachen waren zum ersten Mal bei einer EM fünf Disziplinen gleichzeitig vertreten, auch die nichtolympischen Westernreiter, Gespann-Fahrer und Voltigierer ermittelten ihre Champions und holten für Deutschland die einzigen drei Goldmedaillen. Rummel brach in der ersten EM-Woche aus, als die Westernreiter ihre Dressur, genannt Reining, austrugen. Die Attraktion war Gina Schumacher, Tochter des Formel-1-Rekord-Champions Michael Schumacher, die zwar nicht um Medaillen ritt, die Wettbewerbe aber eröffnen durfte. Sportlich könnte Gina Schumacher in Zukunft für Aufsehen sorgen. Das junge Publikum beim Voltigieren kam ebenfalls auf seine Kosten. Jannis Drewell aus Steinhagen siegte im Herren-Einzel und gewann das erste Gold für Deutschland, am Sonntag folgte Gold für das Team Neuss. Michael Brauchle aus Lauchheim machte die Fahrer froh, als er das Finale im Viererzugfahren gewann.

Aachen

Die Reiterwelt war wieder einmal völlig hin und weg vom Aachener Pferdesport-Ambiente. 409 Starter mit 669 Pferden waren eingeschrieben, die Organisation klappte reibungslos, das Publikum zeigte sich in allen Disziplinen so fachkundig, dass britische Kommentatoren sogar Parallelen zur Atmosphäre des legendären Rennens von Ascot zogen. Ingmar de Vos, Präsident des Weltreiterverbandes FEI, animierte Aachen dazu, sich doch bitte für die WM 2022 (mit acht Disziplinen) zu bewerben. Aachen-Geschäftsführer Michael Mronz winkte jedoch freundlich ab. „Es ist besser, wenn wir uns in den nächsten Jahren auf den CHIO konzentrieren“, sagte er. Mögliche Erklärung: Das seit 1924 in Aachen beheimatete Turnier ist eine effizientere Veranstaltung. Es dauert nur gut eine Woche, bringt aber mit viel geringerem Aufwand fast die gleichen Zuschauer-Zahlen. 369 100 Besucher kamen zur EM, beim CHIO sind es in der Regel um die 350 000.

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