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Sport: Reiten statt reden - Der Weltranglistenerste der Springreiter, Willi Melliger, hat es mit den Pferden

Der Blick wirkt angespannt und ernst. Willi Melligers Augen wandern schnell hin und her.

Der Blick wirkt angespannt und ernst. Willi Melligers Augen wandern schnell hin und her. Er beobachtet kritisch die anwesenden Journalisten. Melligers Stärke liegt nicht im Reden, wie er selbst zugibt, sondern im Umgang mit Pferden. Der 46-jährige Schweizer ist seit einem dreiviertel Jahr Weltranglistenerster der Springreiter. Beim freien Rumlaufen nach dem Pressegespräch wirkt er entspannter, gönnt sich eine Suppe. Damit lassen sich die einstürmenden Einzelgespräche ertragen.

Die Frage, ob ihn der Medienrummel störe, beantwortet Melliger knapp: "Nein, nur dumme Fragen." Vor allem über Geld spricht er nicht. Kein Wunder, denn der Olympiazweite von Atlanta 1996 verdient sein Geld mit Pferdeaufzucht und -handel. Schweigen ist eine der großen Kaufmanntugenden. Vor allem der Frage nach dem Preis seines Spitzenpferdes weicht er aus. "Calvaro ist unverkäuflich." Punkt. Aus. Keine weiteren Nachfragen. "Bei anderen Pferden ist alles nur eine Frage des Preises." Der 10-jährige Schimmel ist unverkäuflich, weil er Melliger nach dem schmerzlichen Verkauf seiner Wunderstute Quinta C, unzählige Erfolge gebracht hat. Darunter auch zweimal den Großen Preis von Deutschland 1992 und 1995 in Berlin. Diesmal ist sein Wallach aber nicht am Start. "Calvaro braucht eine Pause nach seinem Sturz und wird sich in den nächsten zwei Wochen gut erholen."

Bewegt werden muss ein Pferd, dass Spitzenleistungen bringen soll, aber trotzdem. "Das wäre, als wenn sich ein Mensch mehrere Wochen ins Bett legt und nur schläft. Dann verliert er einfach an Kondition," sagt Melliger. Der sprungstarke Calvaro ist schnell wieder aufgebaut. "Vier Wochen, dann ist er wieder fit." Physiotherapie wie in anderen Ställen wendet er nicht an. "Nein, ich mache das nicht. Es kann aber nicht schaden. Warum soll eine Massage für Pferde nicht helfen. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Mensch und Pferd."

Psychologie sei sehr wichtig. "Man muss viel reden mit den Pferden", sagt Melliger. Also ist der Reiter doch ein Pferdepflüsterer? "Nein, direkt Einfluss nehmen kann man nicht. Alles andere passiert eher in einem Kindermärchen." Trotzdem beugt auch er sich wie alle anderen Reiter nach dem Umlauf im Parcours zum Ohr des Pferdes und redet mit ihm. "Da gibt es nichts geheimnisvolles. Ich motiviere das Pferd bloß oder belohne es." Die Motivation spiele eine große Rolle, denn vor einem Wettkampf sind sowohl Reiter als auch Pferd nervös. "Der Anteil ist bei beiden etwa genauso hoch. Die Nervosität beim Reiter macht sich aber sofort in Fehlern bemerkbar," sagt Melliger. Die Tagesform des Pferdes variiert wie beim Menschen und entscheidet über die sportliche Leistung. Hat das Pferd dann schlecht geträumt, wenn es morgens nicht fit ist? Mellinger kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Naja, das weiss ich nicht. Aber schlecht schlafen kann ein Pferd schon."

Wenn Reiter und Pferd aber gut beisammen sind, dann wird hart trainiert. "Das fängt morgens um acht an und geht bis zwölf," beschreibt der gelernte Metzger, dessen Vater bereits den Pferdehof besaß, denn er heute betreibt, seinen Tagesablauf, "danach bleibt genug Zeit für ein paar Geschäftsgespräche." Während er das sagt klingelt sein Handy und es geht wieder um Pferde. Davon kann er nicht lassen. Mellinger nutzte die Tage bis zum Start des CHI zur Sichtung von Pferden in Niedersachsen.

Warum nur blickt er immer so ernst drein? "Ich sehe nicht ernst aus, ich sehe immer so aus." Das Lachen kommt dann wohl nach einem fehlerfreien Ritt. "Nein. Ich lache eigentlich selten," sagt Willi Melliger und kann sich ein Schmutzeln nicht verkneifen.

Ingo Wolff

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