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© dpa

Reitsport: Der Sponsor macht den Spitzenreiter

Talent allein reicht nicht: Wer im Reitsport ganz nach oben will, braucht ein gutes Pferd und einen Mäzen, der es finanziert.

For Pleasure, so hieß er. „Zum Genuss“ – frei übersetzt. Ein Brauner mit weißer Stirn und Nase, mit kräftigem Hals und viel Talent – ein großartiges Pferd eben. Rohmaterial für Reiterträume und ein Türöffner, eine Eintrittskarte zum Hochleistungssport für denjenigen, der For Pleasure Anfang der 90er Jahre unter den Sattel bekam: Lars Nieberg. Mit For Pleasure begann Niebergs internationale Karriere, mit For Pleasure wurde er zum Spitzenreiter.

Wie wichtig das Pferd für die Karriere eines Reiters ist, das spürt Nieberg dieser Tage. Zuletzt wurde bekannt, dass seine langjährige Mäzenin Katarina Geller-Herr aus privaten Gründen ihr Engagement im Pferdesport aufgibt. Das traf den 46 Jahre alten Springreiter völlig unvorbereitet. Seit fast 20 Jahren arbeitet Nieberg als Bereiter in Geller-Herrs Gestüt in Wäldershausen, seit 1994 leitet er das Anwesen sogar. Und seine Mäzenin war all die Jahre lang nicht nur seine Arbeitgeberin, sondern auch Besitzerin seiner Sportpferde, seines Materials zum Erfolg.

Rund 80 Pferde stehen derzeit im hessischen Homberg im Stall, 70 davon gehören Geller-Herr. Die habe ihm zwar nun ein „faires Angebot“ gemacht, das Gestüt zu pachten und die Pferde gleich mit. Das wird er wohl tun, auch weil der zweifache Mannschafts-Olympiasieger von einer dritten Olympiateilnahme träumt, in London 2012. Doch ohne einen Geldgeber, der ihm den Rücken freihält, das weiß Lars Nieberg, kann er in der internationalen Spitze langfristig nur schwer mithalten. „Man sollte ohne Sorgen zu einem Turnier fahren können“, sagt er. Und dass man den Kopf frei haben müsse im Parcours. „Ohne richtigen Sponsor geht’s in diesem Sport nicht.“

Talent allein, das reicht im Reitsport nicht. Das richtige Pferd zur richtigen Zeit, das muss es sein. Und erst wer einmal mitreitet mit den Besten, der kann darauf hoffen, dass man an ihn denkt, wenn wieder einmal ein Spitzenpferd zur Verfügung steht. Ein wichtiger Grund dafür, dass sich unter den bekannten Namen im weltweiten Turnierzirkus nur selten ein paar neue finden. „Es kommen immer mal wieder ein paar durch“, sagt Lars Nieberg nüchtern. „Man muss auffallen.“

Jemandem wie Madeleine Winter-Schulze zum Beispiel. Die 68-Jährige erbte gemeinsam mit ihrer Schwester die Autohäuser ihres Vaters Eduard Winter und war lange Zeit Gesellschafterin der Eduard-Winter-Gruppe. Als „Patin des deutschen Reitsports“ bezeichnete sie das Magazin „Stern“. „Das ist sicher ein bisschen übertrieben“, sagt sie lachend. Doch Fakt ist, dass viele Spitzenpferde der deutschen Reiter – in der Dressur wie im Springen – der einst selbst sehr erfolgreichen Reiterin Madeleine Winter-Schulze gehören. Ihr Engagement für den Sport brachte ihr sogar das Bundesverdienstkreuz ein.

Viele Mäzene und große Sponsoren gibt es nicht im Reitsport, der wie kaum eine andere Sportart mit Elite und Geld assoziiert wird. Pro Jahr werden im Reitsport weltweit rund fünf Milliarden Euro umgesetzt, etwa 300 000 Menschen leben von dem Sport. Ein Pferd ist auch eine Geldanlage, die sich rentieren sollte.

„Ich hoffe, es sind noch eine Handvoll außer mir“, sagt Winter-Schulze. Eine weitere Sponsorin jedenfalls ist ihre Schwester Marion Jauß, die einen Trabrennstall in Hamburg unterhält – Heinz Wewering fährt für sie – und etliche Pferde bei Springreiter Christian Ahlmann im Stall hat. Unter anderen auch den Schimmel Cöster, bei dem während der Olympischen Spiele in China 2008 eine verbotene Substanz gefunden wurde.

Winter-Schulze stellt seit 1997 dem viermaligen Springreit-Olympiasieger Ludger Beerbaum Pferde zur Verfügung – etwa 14 seien es zur Zeit, sagt sie. Davon profitieren auch die bei Beerbaum angestellten Reiter Marco Kutscher, Henrik von Eckermann und Philipp Weishaupt. „Wer wen reitet, das machen die unter sich aus“, sagt Winter-Schulze. Sie lässt ihren Schützlingen freie Hand.

Zu denen gehört auch die Dressurreiterin Isabell Werth, auch in ihrem Stall stehen etwa 14 Pferde von Winter-Schulze. Selbst welches Tier gekauft wird, können die Reiter zu großen Teilen selbst entscheiden. Das Wichtigste für die Sportler ist jedoch die Garantie, die ihre Mäzenin ihnen gibt: Verkauft wird nicht. So kann es gelingen, aus guten Reitern und guten Pferden Olympiasieger zu machen. Ohne die „sehr uneigennützige“ Unterstützung von Winter-Schulze fühlt sich Ludger Beerbaum nicht in der Lage, seinen Stall in Riesenbeck so zu führen, wie er es derzeit tut. „Ohne sie wären wir gezwungen, auch Top-Pferde zu verkaufen“, sagt er.

„Wir sind eine große Familie“, sagt Winter-Schulze über ihre Beziehung zu den Reitern, auch Karin Rehbein und Ina Saalbach-Müller reiten Pferde von ihr. Mit Werth und Beerbaum telefoniert sie mehrmals in der Woche. Innerhalb Deutschlands reist sie oft mit zu Turnieren. Wenn ein großes Turnier im Ausland stattfindet, verfolgt sie die Ritte soweit es geht per Übertragung im Internet. Nach den Ritten kann sie fest mit Anrufen rechnen, aus Verona oder den Arabischen Emiraten, wo immer sich ihre Tiere gerade befinden.

90 Prozent Freude, 10 Prozent Erfolg, so beziffert Winter-Schulze die Erwartungen, die sich aus ihrem Engagement ergeben. Wen sie fördert, das entscheide sie „nur nach Sympathie“. Oft erhält sie Briefe von Eltern und Kindern, die um finanzielle Hilfe bitten. Darin stehen Geschichten, wie sie täglich in deutschen Reitvereinen passieren. Zum Beispiel: Das talentierte Kind sei inzwischen zu groß für das Pony, brauche nun ein Pferd und ob sie nicht vielleicht … Nein, das könne sie natürlich nicht, sagt sie. Aber ein Reitstall in Berlin erhalte Geld von ihr, für die Jugendförderung. Nur welcher, das soll nicht in der Zeitung stehen.

Von „Isabell“ und „Ludger“ spricht sie, als wären es ihre gerade erwachsen gewordenen Kinder, und nicht zwei der erfolgreichsten Reiter weltweit. Dass beide Reiter in diesem Jahr mit Doping- und Manipulationsvorwürfen kämpften, tat dem Vertrauen ihrer Mäzenin keinen Abbruch. Wer einmal im Kreis der Besten dabei ist, hat eben nur noch wenig zu befürchten. Allein, ihre Posten lässt sie wegen der Problematik derzeit ruhen. Denn die potenteste Geldgeberin im Reitsport sitzt gleichzeitig auch im Präsidium der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und im Vorstand des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei.

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