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Es ist genug für alle da. Wenn Kevin De Bruyne für 75 Millionen Euro Ablöse vom VfL Wolfsburg in die englische Premier League zu Manchester City wechselt, wird das Geld zu großen Teilen in der Bundesliga landen.

© dpa/Steffen

Rekordtransfer von Kevin De Bruyne: Was das englische Geld für die Bundesliga bedeutet

Bis zu 80 Millionen für Kevin De Bruyne, 41 Millionen für Roberto Firmino: Die Bundesliga nimmt viel Geld aus England ein. Aber was passiert damit?

Stefan Reuter hat die Nachteile des Reichtums schon zu spüren bekommen, als er noch gar nicht richtig reich war. Auf dem sensiblen Markt Fußball-Bundesliga reicht schon die Aussicht, bald reich zu sein, um von der Konkurrenz ganz anders wahrgenommen zu werden.

Reuter, der Manager des FC Augsburg, hat in diesem Sommer einen Linksverteidiger verpflichtet, der mit knapp 22 Jahren auf die geballte Bundesligaerfahrung von vier Spielminuten verweisen kann und 21 Zweitligaspiele für den Karlsruher SC bestritten hat. Nach den bisherigen Erfahrungswerten kostet ein solcher Spieler maximal 1,5 Millionen Euro; das erste Angebot des FCA für Philipp Max lag bei 1,2 Millionen Euro, am Ende musste er 3,8 Millionen Euro an den KSC bezahlen – weil zu diesem Zeitpunkt längst bekannt war, dass die Augsburger einen warmen Geldregen aus England erwarteten. Eine Summe zwischen 20 und 30 Millionen Euro stand als Ablöse für deren Linksverteidiger Abdul Rahman Baba im Raum. Davon wollten natürlich auch die Karlsruher ihren Teil abhaben.

Sieben Millionen Euro für Kevin Wimmer vom 1. FC Köln, acht Millionen für Joselu von Hannover 96, je zehn Millionen für Shinji Okazaki von Mainz 05 und den Münchner Bastian Schweinsteiger, 25 Millionen für Baba, 41 Millionen für Roberto Firmino von der TSG Hoffenheim und jetzt wohl auch noch 30 Millionen für Heung-Min Son aus Leverkusen und als – neuer Rekordtransfer der Bundesliga – bis zu 80 Millionen für den Wolfsburger Kevin De Bruyne: Der deutsche Fußball verzeichnet in diesem Sommer einen regen Kapitalzufluss aus der englischen Premier League. Doch nicht überall wird diese Entwicklung mit ungeteilter Freude gesehen. Viele Bundesliga-Manager fragen sich, ob die Liga auf Dauer überhaupt noch konkurrenzfähig bleiben kann, wenn sie ihre besten Spieler nach England verliert.

Die Premier League wirbelt den Markt kräftig durcheinander

Die Premier League wirbelt gerade einen Markt kräftig durcheinander, dessen Mechanismen bisher einigermaßen verlässlich einzuschätzen waren. So war es zum Beispiel üblich, dass Spieler und deren Berater sich als Gegenleistung zu langen Vertragslaufzeiten bei gemäßigtem Gehalt eine fixe Ablösesumme für einen vorzeitigen Wechsel einräumen ließen. Das aber wird zunehmend schwieriger, berichtet Jörg Neblung. „Die Vereine zieren sich, eine fixe Ablösesumme für einen Wechsel festzuschreiben“, sagt der Spielerberater aus Köln. Denn was heute noch eine vergleichsweise hohe Ablöse ist, kann morgen für jeden x-beliebigen englischen Klub ein echtes Schnäppchen sein.

Neblung erwartet daher, dass es künftig vermehrt gestaffelte Ablösen geben wird: eine für die Premier League, die andere für den Rest Europas. Bei Kevin Trapp, der in diesem Sommer für festgeschriebene neun Millionen Euro von Eintracht Frankfurt zu Paris St. Germain gewechselt ist, soll das schon so gewesen sein. Demnach hatte er eine deutlich höhere Ablöse für einen Wechsel nach England in seinem Vertrag stehen.

Die derzeit konkurrenzlose Marktmacht der Engländer wird vor allem auf den neuen Fernsehvertrag der Premier League zurückgeführt. Es ist inzwischen fußballerisches Basiswissen, dass selbst der Letzte der Premier League mehr TV- Geld erhält als Bayern München. Die Crux ist: Der Vertrag gilt erst ab der kommenden Saison – doch schon jetzt schmeißen die Engländer mit dem Geld nur so um sich. Ab 2016 erhalten sie 3,2 Milliarden pro Saison, das ist fast vier Mal so viel, wie die 36 deutschen Erst- und Zweitligisten bekommen (835 Millionen).

Nach dem Vollzug des De-Bruyne-Transfers kann es daher nur eine Frage von Stunden sein, bis der erste Bundesligavertreter bei der Deutschen Fußball-Liga verstärkte Bemühungen um einen besseren Fernsehvertrag anmahnen wird. Dass Pläne für eine weitere Aufsplittung der Spieltage bereits an die Öffentlichkeit gelangt sind, war wohl so etwas wie ein Versuchsballon. Bei den Fans stoßen solche Überlegungen traditionell auf große Skepsis. Andererseits nehmen sie das Geld aus England gerne mit. Kann man den Stürmer, der seit anderthalb Jahren nur noch auf der Tribüne sitzt, nicht noch für eine ordentliche Millionenablöse nach England verkloppen? Solche oder ähnliche Einlassungen finden sich derzeit in in den Internetforen fast aller Vereine.

Wen verpflichtet Wolfsburg als Ersatz für De Bruyne?

Auch Jörg Neblung, der Spielerberater, findet den Geldfluss aus England „super für die Bundesliga“. Selbst mit Spielern, die sich in Deutschland jahrelang unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit bewegt haben, sind bei Transfers nach England Ablösen in Millionenhöhe zu erzielen. „Und dieses Geld wird nach unten weitergereicht“, sagt Neblung. „Am Ende profitieren davon auch Klubs aus der Dritten Liga oder der Regionalliga.“

So hat der Bundesliga-Absteiger SC Paderborn den fast 30 Jahre alten Verteidiger Uwe Hünemeier für zweieinhalb Millionen Euro an den englischen Zweitligisten Brighton & Hove Albion abgegeben. Wovon er wiederum 800 000 Euro in Hauke Wahl von Holstein Kiel aus der Dritten Liga investiert hat. So ähnlich – wenn auch auf einem höheren Niveau beginnend – wird es auch mit den Millionen aus dem De-Bruyne-Transfer sein.

Drei Tage sind es noch, bis die Transferperiode endet. Bis dahin wird der Markt wohl noch einmal kräftig durchdrehen. Wen verpflichtet Wolfsburg als Ersatz für De Bruyne? Julian Draxler? Mario Götze? Und Leverkusen? Holt wohl Kevin Kampl aus Dortmund. Und soll an Max Meyer vom FC Schalke interessiert sein. Der wiederum liebäugelt mit Filip Kostic vom VfB Stuttgart.

Am Ende hängen die Transfers auch von der Frage ab, ob sich auf die Schnelle noch Ersatz auftreiben lässt. Selbst in dieser Hinsicht ist die Bundesliga im Vergleich zur Premier League deutlich im Nachteil. Während in Deutschland die Transferfrist am Montag um 18 Uhr endet, können die Engländer noch bis Dienstagabend neue Spieler verpflichten. Auch aus der Bundesliga.

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