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Niedergeschlagen: Die Mannschaft von Holstein Kiel konnte die Last-Minute-Niederlage beim TSV 1860 München (1:2) nicht fassen. Doch Holstein muss die Gründe für den verpassten Aufstieg vor allem bei sich selbst suchen.

© dpa/Hoppe

Relegation zur 2. Bundesliga: Holstein Kiel vergibt Aufstieg bei 1860 München

Der TSV 1860 München ist auch weiterhin Zweitligist. Doch wie konnte es dazu kommen, dass eine Mannschaft, die klinisch tot war, das Spiel gegen Holstein Kiel noch gewann? Eine subjektive Analyse.

Ein in die Mitte abgewehrter Ball kullerte Valdet Rama vor die Füße. Der Mittelfeldspieler von 1860 München überlegte nicht lange und zog ab. Der Flachschuss ging an den Armen von Kiels Torwart Kenneth Kronholm vorbei – und traf den Pfosten. Von dort sprang der Ball vor die Füße von Kai Bülow, der abstaubte und für einen ungläubigen Jubelsturm sorgte. Der TSV 1860 München hatte das 2:1 gegen Holstein Kiel erzielt – in der Nachspielzeit des Relegations-Rückspiels gegen Holstein Kiel.

Dabei hatte das Spiel zu Beginn noch ganz anders ausgesehen. Zwar hatten die Münchner durch Rama die erste Chance. Doch anschließend gab es bis zur 66. Minute keine nennenswerte Offensivaktion der Hausherren mehr. Kiel übernahm die Spielkontrolle, stand defensiv gut geordnet, setzte den ballführenden Gegenspieler früh unter Druck, lief die Passwege zu, warf sich in die Zweikämpfe und sorgte mit schnellem Umschaltspiel für Entlastung und Gefahr. So war die Führung durch Kapitän Rafael Kazior (16.) in seiner letzten Begegnung für Holstein folgerichtig.  

Fortan war die Verunsicherung bei den Sechzigern spürbar. Doch Kiel nutzte das nicht aus und machte damit den gleichen Fehler, den die Mannschaft von Karsten Neitzel bereits im Hinspiel gemacht hatte. Denn anstatt die Münchner unter Druck zu setzen, spielte Kiel ruhig und abgeklärt auf Zeit, nahm das Tempo aus dem Spiel und verteidigte den Vorsprung lediglich. Das allerdings gekonnt. Die Sechziger verzweifelten am unüberwindbaren Abwehrbollwerk. Bezeichnend war vor allem ein Schuss von Daniel Adlung, der kilometerweit über das Tor flog. Kiel machte es jedoch nicht besser. Denn spielte Holstein offensiv zu ungenau. Immer wieder gab es Abstimmungsschwierigkeiten, waren die Pässe in die Spitze falsch temperiert (Maik Kegel tat sich hier besonders hervor) und wechselten sich gute und schlechte Aktionen ab. Speziell die fehlende Abstimmung ist verwunderlich, da die Mannschaft seit Monaten eingespielt ist, was eine der größten Stärken der Kieler war und sie bis auf Rang drei in der Dritten Liga klettern ließ, obwohl andere Teams individuell deutlich besser besetzt waren.

Die Hoffnung bei 1860 München schwand zunehmend

Die Hoffnung schwand bei 1860 zwar zunehmend, doch die zerstrittene Mannschaft kämpfte und gab nicht auf – was letztlich belohnt wurde und für eine mentale Qualität spricht, die Kiel an diesem Tag nicht vorweisen konnte und die an den Hamburger SV am Vortag erinnerte.

Nach dem Ausgleichstreffer von Adlung  (78.) griffen die Münchner energisch und mit neuem Mut an. Kiel wirkte nach dem Gegentor völlig überrascht und geschockt, konnte dem immer stärker werdenden Münchner Druck nur mit Mühe standhalten. Den bis zum Gegentor hervorragend umgesetzten Matchplan der kontrollierten Defensive gab Kiel fortan auf. Die Bälle wurden lang und weit nach vorne geschlagen, sodass es beinahe keine Entlastung mehr gab. So kam, was kommen musste.

Die Kieler waren nach dem Spiel untröstlich. Die Aussagen und Einschätzungen vieler Fans und der Verantwortlichen lassen sich nur bedingt teilen. Neitzel sprach von einem „geilen Spiel“, dass seine Mannschaft gezeigt habe und verurteilte Stimmen, die seine Mannschaft im Hinspiel als „mutlos“ bezeichnet hätten. Mit diesen Aussagen stellte sich der Trainer, der taktisch sonst mit allen Wassern gewaschen ist, ein wenig ins Abseits. Denn der vergebene Aufstieg ist vor allem Neitzel und seiner taktischen Ausrichtung in den Relegationsspielen zuzuschreiben. Denn anstatt die verunsicherten Münchner im Hinspiel in Kiel unter Druck zu setzen, ließ Neitzel sein Team vorsichtig und sehr abwartend agieren, sodass 1860 sogar ein Plus an Offensivaktionen zu verzeichnen hatte.

In der Relegation war nur noch Kampf und defensive Stabilität bei Kiel zu sehen

Zudem merkte man Kiel die vorangegangenen Niederlagen gegen den MSV Duisburg (1:3) und die Stuttgarter Kickers (0:2) an, da Holstein spielerisch lange nicht so befreit agierte, wie in den Monaten zuvor, wo Gegner teilweise auseinander genommen wurden. In diesen Begegnungen fand Kiel oft eine gute Mischung aus Kampf, spielerischen Qualitäten, defensiver Stabilität und dem Wissen, dass vorne immer eine Chance genutzt werden kann. In den Relegationsspielen waren nur noch Kampf und defensive Stabilität zu sehen. Spielerisch kam wenig und offensiv verfiel Kiel in vergessen geglaubte Zeiten der Ineffektivität. Denn auch im Rückspiel setzte Neitzel nach dem einen Tor auf Vorsicht und die Abwehrstärke seiner Elf. Die Balance zwischen Defensive und Offensive war uneinheitlich. Mit nur etwas mehr Mut und Zutrauen hätte Kiel das Rückspiel für sich entscheiden können und wäre jetzt verdient Zweitligist.

Die Last-Minute-Niederlage in München ist zwar kein Beinbruch, aber doch ein Tiefschlag. Denn Kiel hätte erstmals seit 1981 wieder in der 2. Bundesliga spielen können. Doch die Planung für die neue Saison ist bereits weit vorangeschritten. Fast alle Spieler haben gültige Verträge für die Dritte Liga. Ob sie diesen Relegationsschock allerdings verkraften kann, ist zumindest zweifelhaft.

Für den Fußball sind die Ergebnisse der Relegationsspiele enttäuschend. Schließlich haben sowohl der Karlsruher SC, als auch Holstein Kiel in den vergangenen Jahren auf Kontinuität und eine nachhaltige Entwicklung gesetzt – während die Gegner Hamburger SV und TSV 1860 München planlos die Trainer und Spieler wechselten. So ist es traurig, dass sich diese beiden Vereine und ihre konzeptlosen Systeme durchgesetzt haben.

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