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Sport: Rennen oder reden

Tim Montgomerys Dilemma nach der Dopingsperre

Genau besehen bleiben Tim Montgomery nur zwei Möglichkeiten: Entweder hält der wegen Dopings verurteilte ehemalige Sprintweltmeister seinen Mund, zieht seine Laufschuhe an und konzentriert sich ganz auf die WM 2007 in Osaka, bei der er nach seiner zweijährigen Sperre wieder starten könnte. Oder er packt die Schuhe in den Schrank und redet. Dann würde er wenigstens mit einem Enthüllungsbuch noch einige zehntausend Dollar verdienen und das Loch stopfen, das die Strafe des Internationalen Sportgerichtshofs (Cas) in Lausanne reißen wird. Er muss nämlich neben allen seit dem 31. März 2001 gewonnenen Medaillen seine Prämien herausrücken, wohl mindestens 250 000 Dollar.

Am heftigsten zittern dürfte nun Montgomerys ehemalige Lebenspartnerin Marion Jones. Die stünde schließlich mit einiger Sicherheit im Mittelpunkt des Enthüllungsbuches, ist ihr Fall doch für eine knackige Geschichte gut. Außerdem öffnet das Urteil des Cas, der auch die US-Sprinterin Chryste Gaines für zwei Jahre sperrte, Tür und Tor für eine neue juristische Variante der Dopingbekämpfung. Der Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), Richard Pound, beschreibt sie so: „Das Urteil entzieht der Annahme die Grundlage, dass eine positive Dopingprobe vorliegen muss, damit man gesperrt werden kann.“ Im Zuge des Skandals um das Chemielabor Balco vor den Toren San Franciscos sind mittlerweile fünf Athleten auch ohne positive Dopingproben schuldig gesprochen worden.

Bei Montgomery reichte im Grunde die Aussage der früheren Weltmeisterin Kelli White, wonach er ihr gegenüber zugab, das Designer-Steroid THG genommen zu haben. Der Angeklagte sorgte aber auch selbst für den Schuldspruch. Dass er und Gaines sich geweigert hatten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, lasteten die Richter ihnen schwer an. Montgomery musste schweigen, weil er sich in eine Falle manövriert hatte. Wie durch einen Bericht des „San Francisco Chronicle“ bekannt ist, gestand er den Strafverfolgungsbehörden, ein Wachstumshormon und andere Mittel von Balco-Chef Victor Conte erhalten zu haben. Zwar durfte der Cas diese Informationen nicht verwenden, doch hätte der Athlet in der Schweiz etwas anderes ausgesagt, hätte ihm daheim ein Verfahren wegen Meineids gedroht.

Montgomerys Trainer Steve Riddick sagte den „Mercury News“ in San Jose: „Zunächst hat Tim gesagt: ‚Jetzt bin ich erledigt.’ Aber ich glaube nicht, dass das stimmt, das war nur seine erste Reaktion.“ Mit seinem Fall schließt sich ein weiteres Kapitel im Skandal um die Doping- Schmiede Balco. Laborgründer Conte selbst verbüßt derzeit eine viermonatige Haftstrafe. Er war es unter anderem, der für Montgomery 2000 das „Projekt Weltrekord“ ausrief, einen Plan, den Sprinter mittels verbotener, aber mit herkömmlichen Methoden nicht zu entdeckender Substanzen schnell zu machen – der Anfang vom Ende, wie man jetzt weiß.

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