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Neue Richtung: Pep Guardiola hat beim Triple-Sieger viel verändert.

© reuters

Revolution im Paradies: Wie Pep Guardiola den FC Bayern verändert

Bayern München gewann letzte Saison alle möglichen Titel. Der neue Trainer Pep Guardiola konnte den nächsten Gegner von Hertha BSC dennoch verbessern.

Davon hätte wohl selbst Uli Hoeneß nicht zu träumen gewagt. Als der Präsident des FC Bayern Anfang des Jahres zwischen München und New York pendelte, um Pep Guardiola als Trainer für die kommende Saison zu gewinnen, war noch nicht ernsthaft davon auszugehen, dass sein Verein vor der erfolgreichsten Spielzeit der Vereinsgeschichte stehen würde. Doch hätte der mächtige Vereinsboss dann etwa auf die Verpflichtung des erfolgreichsten Trainers der vergangenen Jahre verzichtet? Wohl kaum.

Das Erbe seines Vorgängers Jupp Heynckes hätte für Pep Guardiola größer nicht sein können: Meistertitel und Pokalsieg, dazu der Triumph in der Champions League und eine mitunter mitreißende Art, Fußball zu spielen. Doch mit dieser bestmöglichen Ausbeute stellte Heynckes seinem Nachfolger auch die Weichen für die wohl letzte und größte Herausforderung im Vereinsfußball: als erster Klub den Champions-League-Titel zu verteidigen.

Doch wie soll das gehen, was Guardiola in Spanien selbst und allen namhaften Trainern zuvor bisher verwehrt blieb? Wie also verbessert man eine Mannschaft, die alles gewonnen hat? Oder wie hält man sie zumindest auf dem gleichen Niveau?

Bildergalerie: Pep Guardiola kommt in München an

Bereits das erste Testspiel des FC Bayern unter dem Trainer, der mit dem FC Barcelona in vier Jahren Amtszeit 14 Titel gewann, sollte als Blick in die Zukunft taugen. Nach einer halben Stunde lag seine Mannschaft zwar 0:1 hinten gegen den Neuntligisten des TSV Regen, und Uli Hoeneß wurde womöglich etwas mulmig zumute und vielleicht flackerte Jürgen Klinsmann kurz auf in seinem Hinterstübchen. Doch weniger der zwischenzeitliche Spielstand als die Startaufstellung von Guardiola sollte Fußballdeutschland in den nächsten Wochen beschäftigen. Philipp Lahm im defensiven Mittelfeld? Franck Ribéry als Sturmspitze? Der Mann musste verrückt sein.

Rund vier Monate nach dem 9:1-Testspielsieg in Regen und einer Bilanz von 14 Siegen und zwei Unentschieden in 16 Pflichtspielen steht jedoch vielmehr fest: Der Mann muss genial sein, und seine Revolution ist in vollem Gange.

Die taktischen Rafinessen und zermürbende Spielstärke des FC Bayern sind dabei weit mehr als ein bloßer Abklatsch des großen FC Barcelona aus Zeiten Guardiolas. Es ist die logische Weiterentwicklung auf dem Weg zur Perfektion einer Spielphilosophie. Vieles erinnert daran zwar an Guardiolas damalige Mannschaft um Weltfußballer Lionel Messi und die Passroboter Xavi und Andrés Iniesta. Doch die Münchener Stafetten übertreffen momentan sogar noch die statistischen Werte von Guardiolas erster Saison in Spanien. In den bisherigen neun Bundesligapartien spielten die Bayern laut Datenbank des Statistiklieferanten Opta 6365 Pässe, im Schnitt also 707 pro Spiel. Am vergangenen Sonnabend beim 4:1 gegen Mainz waren es sogar 817 Zuspiele. Zum Vergleich: Barcelona kam in seinen ersten neun Ligaspielen unter Guardiola auf 6170 Pässe.

Alles scheint möglich

„Es hat mich ehrlich gesagt ein bisschen überrascht, wie schnell die Spieler meine Ideen aufgenommen haben“, sagte Guardiola vor einer Woche in einem Interview mit dem vereinseigenen „Bayern-Magazin“: „Ich dachte, wir würden dafür deutlich mehr Zeit benötigen. Das Niveau ist jetzt schon sehr, sehr hoch.“

Was sich bereits in dem Testspiel in Regen ankündigte, führt Guardiola bis zum heutigen Tage konsequent fort. Alles scheint möglich. Der 42-Jährige denkt nicht in einem klassischen Elfer-Raster wie wahrscheinlich ein Großteil seiner Kollegen, sondern komponiert seine Angriffsmelodien von vorneherein mit entsprechend 14 bis 15 Spielern. Je nach Spielsituation nimmt Guardiola dabei einzelne Spieler vom Feld und verschiebt die übrigen mitunter auf andere Positionen. „Die Bayern sind inzwischen so flexibel, dass man auf alles gefasst sein muss“, sagte Mainz-Trainer Thomas Tuchel nach der deutlichen 1:4-Niederlage am vergangenen Spieltag: „Guardiola ist jederzeit in der Lage, das Spiel spontan zu verändern.“

Diese Unberechenbarkeit fußt vor allem auf der hohen Qualität des Bayern-Kaders. Philipp Lahm glänzt bereits seit Wochen im defensiven Mittelfeld, auch wenn ihn momentan nur die Verletzungspausen von Javi Martinez und Thiago von seiner angestammten Position als rechter Verteidiger fernhalten. Arjen Robben, letzte Saison noch wie festgenagelt auf der rechten Außenbahn, wechselte zuletzt bereitwillig auch mal auf die linke Seite. Beinahe jeder Spieler muss in Guardiolas System so mehrere Positionen quasi gleichzeitig abdecken können.

Bildergalerie: FC Bayern verpflichtet Pep Guardiola

Eine weitere Fortentwicklung der Mannschaft, die noch von Jupp Heynckes trainiert wurde, ist unter Guardiola die Neuinterpretation der defensiven Außenbahnen. „Die einrückenden Außenverteidiger“, wie der Spanier die Rolle von Rechtsverteidiger Rafinha und Linksverteidiger David Alaba nennt, übernehmen dabei nun einen sehr viel höheren Anteil am Spielaufbau. Torhüter Manuel Neuer, der als eine Art Libero weitaus mehr eingebunden ist in die Passstafetten als noch unter Heynckes und sich lange Zuspiele mittlerweile gänzlich verkneift, hält das Tempo mit kurzen Pässen auf die Außen konstant hoch und agiert zunehmend als eine Art Spieleröffner. Rafinha und Alaba dienen dabei als häufige Anspielstation.

Dass Pep Guardiola seine überaus erfolgreich begonnene Trainerkarriere auch in München mit weiteren Titeln dekorieren wird, gilt als ziemlich sicher. Ob es dabei jedoch für den ultimativen Triumph und die Titelverteidigung in der Champions League reicht, bleibt ungewiss. Vom Potenzial her ist die aktuelle Bayern-Mannschaft dem Kader von Barcelona mindestens ebenbürtig. Die Passroboter haben sie beide. Zusätzlich fehlen den Spaniern in ihren Reihen aber solch torgefährliche Außenspieler wie auf Bayern-Seite Ribéry oder Robben.

Uli Hoeneß erlebte Guardiola in den vergangenen Monaten „sehr akribisch und sehr ehrgeizig“. Der Bayern-Präsident zeigte sich beinahe überrascht, dass er „mit den großen Erfolgen, die er in seinen jungen Jahren schon gefeiert hat, nicht aufhört, täglich zu arbeiten“. Selbst an trainingsfreien Tagen sitze Guardiola oft bis spät in den Abend auf dem Vereinsgelände. Es dürfte dem Bayern-Boss gefallen. Auch wenn niemand so ganz genau weiß, was er wohl als Nächstes plant.

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