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Sport: Rhythmus für Potsdam

Turbines Stürmerin Cristiane ist die erste Brasilianerin in der Frauenfußball-Bundesliga

Potsdam - Niemand arbeitet dieser Tage beim brasilianischen Fußballverband, die Mitarbeiter feiern Karneval oder liegen bei Temperaturen von fast 40 Grad am Strand. Möglicherweise wird Cristiane Rozeira de Souza Silva, schlicht Cristiane genannt, deshalb am Sonntag im Karl-Liebknecht-Stadion nur auf der Tribüne sitzen, wenn Turbine Potsdam im Bundesligaduell den FSV Frankfurt empfängt. Noch fehlt die Freigabe aus Brasilien. Ob sie rechtzeitig kommt, weiß keiner so genau beim Deutschen Frauenfußballmeister und -Pokalsieger. Es hätte durchaus sein Gutes, wenn die 19-Jährige erst einmal von der Tribüne betrachten könnte, wie in der Bundesliga gespielt wird, sagt Trainer Bernd Schröder. „Die Ansprüche der Fans und der Druck sind riesig. Sie ist eine Weltklassespielerin, aber derzeit ist sie erst bei 40 Prozent ihres Leistungsvermögens.“

Die erste Brasilianerin in der Frauenfußball-Bundesliga hat noch Konditionsprobleme, sie kämpft mit dem Jetlag und der Kälte. Lernen muss die Olympia-Zweite von Athen auch neben dem Fußballfeld: Dass sie bei diesen Temperaturen nicht mit nassen Haaren aus dem Haus gehen kann wie in Brasilien. Und dass es wichtig ist, den Hals mit einem Schal gegen die Kälte zu schützen. All diese Dinge bringt ihr eine Dolmetscherin bei, die sie gelegentlich begleitet. Potsdams Spielerinnen haben außerdem ein paar Brocken Portugiesisch gelernt, aber „beim Training verständigen wir uns durch Mimik. Ich passe viel besser auf, als ich es tun würde, wenn ich die Sprache nicht könnte“, erzählt Cristiane lachend. Bald will sie anfangen, intensiv Deutsch zu lernen. Damit der Kulturschock nicht so groß ist, durfte sie ihre Freundin Paula mitbringen, mit der sie gemeinsam beim FC Sao Bernardo Sao Paulo spiele.

Zu einem Fototermin war Cristiane schon am Schloss Sanssouci, doch viel mehr hat sie von ihrer neuen Heimat noch nicht gesehen. Erst einmal soll sie sich an die andere Art von Fußball gewöhnen. „Die Mädchen sind taktisch perfekt und sehr schnell“, sagt sie, „in Brasilien sind Rhythmus und Ballgefühl wichtiger.“ Sie findet es spannend, künftig beides in ihrem Spiel zu vereinen. In Brasilien war nach der Silbermedaille von Athen die Begeisterung groß, ein paar Wochen lang. Dann war das Interesse am Frauenfußball wieder verflogen, der dort wenig Anerkennung erfährt. Es gibt keine regelmäßigen Meisterschaften, deshalb „freuen sich die Leute, dass ich die Chance hatte, nach Europa zu gehen. Das ist ein wichtiger Karriereschritt.“

Bernd Schröder gilt als strenger Trainer – doch wenn die Rede auf Cristiane kommt, gerät er ins Schwärmen. „Sie ist schnell, technisch exzellent, reagiert intuitiv, ist kopfballstark und hat einen starken Linksschuss wie Herthas Marcelinho.“ Bei der Wahl der Weltfußballerin des Jahres war sie auf der Vorschlagsliste der besten 20 Spielerinnen. Turbine hat sowohl im DFB-Pokal als auch im Uefa-Cup das Halbfinale erreicht und ist derzeit Bundesliga-Dritter. Cristiane, die schon als kleines Mädchen mit ihrem älteren Bruder auf der Straße kickte, soll nun helfen, dass die Mannschaft einen Titel gewinnt – mindestens einen.

Schröder sah Cristiane bei Olympia und bei der U-19-WM in Thailand im Fernsehen, „und ich dachte, das könnte eine für uns sein. Zumal es in Deutschland seit Jahren keinen Linksfuß gibt.“ Weil das DFB-Team mit vier Potsdamerinnen U-19-Weltmeister wurde, „hatten wir eine Lobby“. Bis 2006 läuft der Vertrag der Nummer 19, 1500 Euro soll sie pro Monat bekommen, dazu eine Wohnung und ein Auto – allerdings hat sie noch keinen Führerschein. Damit sie sich in ihrem neuen Zuhause wohl fühlt, schleppen Sponsoren schon Toaster und Bügeleisen an.

Cristiane wird nicht Turbines einzige Brasilianerin bleiben. Im Juli, nach intensivem Aufbautraining, soll auch Abwehrspielerin Paula einen Vertrag erhalten.

Helen Ruwald

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