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Sport: Riesenshow unterm Riesenzelt

Die NHL beginnt ihre Eishockey-Saison in London, um für eine gigantische Halle zu werben

Es ist Sonnabend, 17 Uhr. Die Saison in der National Hockey-League (NHL), der nordamerikanischen Eishockeyliga wird eröffnet. Ohrenbetäubend tönt die Stimme des kalifornischen Stadionsprechers durch die O2-Arena. Der Herr brüllt beinahe ekstatisch: „Da sind sie, eure L. A. Kings!“ Die Spieler kommen aufs Eis, auf dem Videowürfel steht „Make some noise“, viele der 17 500 Zuschauer kreischen. Schließlich haben die Kings Heimrecht, sie empfangen am ersten Spieltag den Meister, den Stanley-Cup-Sieger Anaheim Mighty Ducks. Heimrecht? Stimmt nicht ganz: Das Eishockeyderby von Los Angeles findet einige tausend Kilometer von Kalifornien entfernt statt – in London.

Die NHL in Europa, das ist ein Abenteuer. Eines, das Philip Anschutz, Eigner der Kings und der Londoner Arena, möglich gemacht hat. Fast 500 Millionen Euro hat der Umbau des schon als Bankrott-Projekt geltenden Millennium Domes den amerikanischen Milliardär gekostet. Von außen sieht der Bau an der Themse vielleicht nur nach dem größten Zelt der Welt aus, doch was sich unter seiner weißgrauen Abdeckung verbirgt, ist gigantisch: Dort findet sich eine Kleinstadt mit Geschäften, 20 Bars und einem Musikklub mit 2300 Zuschauerplätzen. Im Sommer wird an der Fußgängerzone in der Arena sogar ein Sandstrand aufgeschüttet, im Winter kann man Eislaufen. Und umrahmt von der Amüsiermeile ist die O2-Arena, die Halle in der Halle, in die NHL für zwei Spieltage zu Gast ist.

Eishockey? In London? Natürlich, sagt Lucy Ellison, britische PR-Chefin der Anschutz-Entertainment-Group. „Die 35 000 Tickets für die beiden NHL-Spiele waren in zweieinhalb Wochen ausverkauft“, erzählt sie. „Eishockey wird populärer bei uns in England, da wächst etwas heran.“ Mancher der vielen ausländischen Besucher des Spiels findet aber trotzdem etwas Merkwürdiges am Austragungsort. Der erste Fan, den Peter John Lee vor dem Dome erblickt, trägt ein Trikot des deutschen Drittligisten ESV Kaufbeuren. Der Manager der Berliner Eisbären sagt: „London mag die Hauptstadt Europas sein, aber die Eishockeyhauptstadt Europas ist London sicher nicht.“

Nachdem die Nationalhymnen verklungen sind und das Spiel nach einer peinlichen Panne mit dem Licht auf dem Eis mit Verspätung beginnt, ist die Stimmung in der Halle für europäische Verhältnisse gewöhnungsbedürftig. Es wird nur bei Checks, Torschüssen und vor allem in Spielpausen bei Einblendungen auf dem Videowürfel gekreischt, ansonsten kann sich eine kaum 100 Männer und Frauen starke Abordnung von Fans der Mannheimer Adler mühelos Gehör verschaffen. „Hurra, das ganze Dorf ist da“, johlen die Anhänger des deutschen Eishockey-Meisters.

In Nordamerika ist die Fankultur eine andere als in Europa, aber darum geht es Anschutz ja nicht. Er lässt am Berliner Ostbahnhof zurzeit die O2-World errichten, ein Bauwerk, das der Londoner Arena vom Interieur ähneln wird und in dem die Eisbären spielen sollen. Und der Europachef der Anschutz-Gruppe, Detlef Kornett, sagt: „Wir versuchen alles, damit die NHL kommendes Jahr nach Berlin kommt.“ Erst einmal findet sie nun in London vor vollen Tribünen statt.

Allerdings wirkt die Werbetour der NHL auch ein wenig befremdend, in den englischen Zeitungen finden Kings und Ducks kaum statt, das sportseitenfüllende Thema ist zurzeit Englands Rugby-WM-Spiel gegen Tonga. Irgendwie scheinen die Eishockey-Millionäre am falschen Ort zu sein, auch wenn 500 Fans der Ducks als organisierte Reisegruppe ihr Team begleiten.

Unvorstellbar, dass die Berliner Eisbären ihr erstes Saisonspiel gegen Hamburg in Paris abhalten würden. Aber die Profiligen Nordamerikas haben eine Strahlkraft, die nicht an den Landesgrenzen endet. Das gestrige Spiel wurde in 115 Ländern im Fernsehen gezeigt. Und Sport und Sperenzchen, das gehört in den USA zusammen. Am 1. Januar 2008 spielt der NHL-Klub Buffalo Sabres in einem Football-Stadium vor über 73 000 Zuschauern, die Tickets waren in wenigen Stunden ausverkauft. Daran gemessen ist das Spektakel von London fast bieder. Die L.A. Kings haben beim 4:1 die ersten Punkte der Saison gewonnen. Schon heute gibt es für die Ducks die Chance zur Revanche, diesmal hat Anaheim in London „Heimrecht“.

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