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Jost Kobusch, 27, hält im Himalaya bereits mehrere Rekorde: Den Ama Dablam (6814 Meter) und Annapurna (8091 Meter) bestieg der Bielefelder als bis heute jüngster Bergsteiger im Alleingang, zwei weitere Gipfel erreichte er als erster Mensch überhaupt. Jetzt lockt der Mount Everest, mit 8848 Metern der höchste Berg der Welt.

© Daniel Hug/promo

Riskante Expedition auf den Mount Everest: „Ich beschäftige mich mit dem Tod“

Der Extrem-Bergsteiger Jost Kobusch spricht im Interview über seine Tour auf den Mount Everest – alleine, ohne Sauerstoff und mitten im Winter.

Es ist die wahrscheinlich umstrittenste alpine Expedition in diesem Jahr: Jost Kobusch will solo auf den Mount Everest – ohne Sauerstoff, ohne Hilfe von Sherpas, mitten im Winter. Als Erster.

Seit Wochen ist Jost Kobusch im Everest Base Camp, erkundet mögliche Routen, befestigt Fixseile und legt Höhenlager an. Im Februar will er den Gipfelversuch wagen. „Völligen Unsinn“ nennt die Bergsteiger-Legende Reinhold Messner das Vorhaben und spricht Kobusch die nötige Erfahrung ab.

Herr Kobusch, Sie sind seit Weihnachten allein im Everest Base Camp auf rund 5400 Metern und bereiten Ihren Soloaufstieg vor. Wie geht es Ihnen?
Ich fühle mich nicht einsam. Ein Kameramann, der die Expedition begleitet, ist bis Februar mit im Base Camp, und ich werde von zwei nepalesischen Köchen versorgt. An Weihnachten haben die beiden für uns Plätzchen gebacken, und wir haben Weihnachtsmützen auf den Berg geschleppt. Wir hatten keinen Strom, aber viele Kerzen. Es war sehr romantisch.

Wie muss man sich die Bedingungen am Everest im Winter vorstellen?
60 Prozent sonnig, 40 Prozent sehr windig, 100 Prozent arschkalt. Im Schnitt sind es in meinem Zelt Minus 19 Grad – im Base Camp! Mein tägliches Highlight ist der Sonnenaufgang, wenn mein Zelt endlich aufgewärmt wird. Aber solange es nicht stürmt, ist es hier unten erstaunlich ertragbar. Weiter oben wird es wahrscheinlich schwieriger.

Sie wollen ohne künstlichen Sauerstoff, ohne Begleitung und mitten im Winter auf den höchsten Berg der Welt. Das hat noch niemand geschafft. Wieso machen Sie das?
Ich bin neugierig auf die Welt und meine Grenzen. Wenn es noch niemand gemacht hat, weiß man nicht, ob es möglich ist. Gerade dann kann ich meine Neugierde befriedigen.

Der Berg ruft. 8848 Meter hoch liegt der Gipfel des Mount Everest, der als das Dach der Welt bezeichnet wird.
Der Berg ruft. 8848 Meter hoch liegt der Gipfel des Mount Everest, der als das Dach der Welt bezeichnet wird.

© AFP/@nimsdai Project Possible

Neugierde in allen Ehren: Es ist Ihr Erstversuch am Everest. Das klingt wenig erfolgversprechend.
Das ist wenig erfolgversprechend. Ich schätze meine Chance auf gute ein Prozent. Der Gipfel ist für mich nur der Bonus. Kein anderer Berg, keine andere Situation könnte mich besser für den Mount Everest vorbereiten als der Mount Everest selbst.

Wahrscheinlich haben Sie sich trotzdem gut auf die extremen Bedingungen vorbereitet.
Im vergangenen Jahr war ich im Polarwinter in Alaska bergsteigen. Dort habe ich unter deutlich kälteren und dunkleren Bedingungen Ausrüstung getestet und entwickelt. Ich weiß, wie es sich anfühlt, mehrere Nächte bei minus 40 Grad unterwegs zu sein.

2015 wären Sie am Everest beinahe gestorben. Sie filmten die Lawine, die 19 Menschen tötete und Sie verschüttete. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
In diesem Moment war viel Ungewissheit. Ich war wirklich davon überzeugt, dass ich sterbe – aber irgendwie war das okay. In diesem Augenblick habe ich nichts bereut, hätte jede Entscheidung wieder so gefällt, wie ich es getan habe. Diese Lawine zu überleben, war für mich wie eine Wiedergeburt. Ich wollte danach so weiterleben, dass ich weiterhin nichts bereuen würde. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass dieser Moment für mich persönlich einer der besten meines Lebens war. Ich würde heute nicht hier stehen, wenn ich diese Erfahrung nicht gemacht hätte.

Hat sich Ihre Beziehung zum Mount Everest denn durch das Lawinenunglück verändert?
Ich habe Demut vor den Naturgewalten gelernt. Im Verhältnis zu diesem Berg ist man als Mensch so klein.

Haben Sie Vorkehrungen für den Fall Ihres Todes getroffen?
Ich beschäftige mich mit dem Tod. Ich habe eine Rettungsversicherung, eine Patientenverfügung, ein Testament und eine Generalvollmacht, damit im Fall der Fälle Dinge geregelt werden können. Ohne Risiko kein Abenteuer.

Kobusch-Kritiker. Reinhold Messner, ebenfalls Extrembergsteiger.
Kobusch-Kritiker. Reinhold Messner, ebenfalls Extrembergsteiger.

© Arno Burgi/dpa

Die meisten Erfolge haben Sie alleine gefeiert und große Aufmerksamkeit dafür bekommen. Ist solo das letzte Abenteuer?
Initial geht es mir nicht darum, was andere denken oder als das letzte Abenteuer definieren. Ich finde den Minimalismus cool. Durch den Verzicht erfahre ich viel Freiheit. Ich bin flexibel, fast archaisch am Berg. Ich würde mich aber über Nachahmer freuen, denn diese Art des Kletterns spart viele Ressourcen. Ich brauche keinen Teppich auf 6000 Metern.

Manche Momente teilt man doch aber gerne.
Alleinsein bedeutet für mich auch Meditation. Besonders in einer krassen Umgebung wie dem Everest erfahre ich eine starke Reizminderung. Es gibt kein TV, Internet oder Telefon. Mein Fokus liegt bei mir. Gleichzeitig ist man in einer Welt der Anarchie. Es gibt keine Gesetze oder Regeln. Nur ich fülle den Raum. Allein in der Wildnis wachse ich als Mensch.

Ganz so allein sind Sie aber nicht. Sie haben eingangs gesagt, Sie würden von einem Kameramann begleitet. Man kann Sie auch live tracken und auf Instagram regelmäßig Neuigkeiten erfahren.
Ein Abenteuer ist der Aufbruch ins Unbekannte. Ich mache mich auf den Weg, weil ich für mich herausfinden möchte, was meine persönliche Wahrheit ist. Gleichzeitig möchte ich den Menschen zeigen, dass man mit wenig viel machen kann. Dafür gibt es Instagram.

Als Extremsportler steht man unter dem Druck, immer krassere Aufgaben zu bewältigen. Wo ist Ihr Limit?
Ich stehe nicht unter Druck. Ich mache das, worauf ich Bock habe. Ich lasse mir von niemandem sagen, welche Berge ich zu besteigen habe. Das Limit steckt vielmehr in mir selbst und ist dann erreicht, wenn meine Erwartungen an mich viel höher sind als das, was mein Körper zu leisten vermag.

Sie haben als erster Mensch den Pik Yoko und den Nangpai Gosum II. bestiegen. Wieso ist es Ihnen wichtig, Berge als Erster zu besteigen?
Alpinismus ist für mich Exploration, das Gefühl, neues Land zu entdecken. Wenn ich weiß, dass jeder Schritt mich zu einem Ort führt, den noch kein Mensch besucht hat, ist das unglaublich aufregend. Wenn ich weiß, dass etwas funktioniert, habe ich dieses Gefühl nicht. Ich hinterlasse gerne meine eigenen Fußspuren.

Es wird wohl noch Wochen oder Monate bis zu Ihrer Rückkehr dauern. Was fehlt Ihnen am meisten?
Ich vermisse nichts. Ich bin mit mir im Gleichgewicht und fokussiert auf den Moment. Würde ich etwas vermissen, dann wäre ich entweder in der Vergangenheit oder der Zukunft. Es geht jetzt um dieses Projekt, und ich bin bereit für jede Entbehrung.

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