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Sport: Ritzel an der Dattel

Fußball-Zweitligist Energie Cottbus beschäftigt sich wieder mit der Bundesliga – zum Ärger von Trainer Eduard Geyer

Cottbus. Eduard Geyer suchte lange nach den passenden Beschimpfungen. „Eine Zumutung“ sei das gewesen, „eine Katastrophe“ sogar und die Leistung seiner Spieler „eigentlich unwürdig für den Verein“. Der FC Energie Cottbus, die Mannschaft, die von Geyer trainiert wird, hatte gerade 2:1 gegen Erzgebirge Aue gewonnen und die Tabellenführung der Zweiten Bundesliga übernommen.

Dass das Land Brandenburg an seinem östlichen Rand zurzeit einen neuen Fußballaufschwung erlebt, ist umso schöner, weil die wenigsten eine solche Erfolgsgeschichte erwartet hatten. Im vergangenen Jahr waren die Cottbuser eher kläglich aus der Bundesliga abgestiegen, und es hat Fälle gegeben – Fortuna Düsseldorf, den SSV Ulm, die Spielvereinigung Unterhaching –, in denen ein solches Unglück erst der Beginn einer ganzen Reihe von Unglücken war.

Die Cottbuser mit ihrer UN-Truppe aus Amerikanern, Brasilianern, Bosniern, Rumänen und Tschechen schienen in dieser Hinsicht ebenfalls stark gefährdet zu sein. Doch seit dem ersten Spiel zeigt die Mannschaft eine erstaunliche Stabilität. Viele Absteiger haben Schwierigkeiten, sich an die Gepflogenheiten der neuen Klasse zu gewöhnen – weil sie sich für verhinderte Erstligisten halten, die nur durch eine schlechte Laune des Schicksals dazu gezwungen sind, sich unter Niveau zu verdingen. Energie aber war auch als Erstligist immer schon ein verhinderter Zweitligist. Vielleicht findet sich die Mannschaft deshalb so gut in der neuen Umgebung zurecht.

Uwe Leonhardt, der Präsident von Erzgebirge Aue, sprach nach der Niederlage in Cottbus davon, dass 100 Prozent in der Liga nicht reichten, sondern mindestens 110 notwendig seien. Eigentlich meinte er die eigene Mannschaft, aber diese Aussage gilt auch für Energie. Der Verein aus dem weiten Osten muss immer ein bisschen mehr tun als die Konkurrenz. Elf Millionen Euro haben die Cottbuser für ihren Etat zusammengekratzt. Im Ligavergleich ist das gehobenes Niveau – für Energie war es ein enormer Kraftakt. „Dieses Mal wäre der Aufstieg kein Zufall wie vor drei Jahren“, sagt Präsident Dieter Krein.

Angesichts der Lotterhaftigkeit der Zweiten Liga gilt diese Aussage jedoch nur bedingt. Energie hat gerade mal ein Tor Vorsprung auf den Zweiten Aachen. Der Drittletzte Aue hat weniger Tore kassiert als der Erste Cottbus, der Vorletzte Trier so viele geschossen wie der Dritte Karlsruhe, und wer heute auf einem Abstiegsplatz steht, kann in ein paar Wochen und nach ein paar Siegen schon wieder von der Bundesliga träumen. „So eng wie jetzt war es in der Liga noch nie“, sagt Energies Torhüter Georg Koch.

Geyer wehrt sich nicht nur deswegen gegen das Gerede vom Aufstieg. Er sieht immer noch zu viele Defizite in seiner Mannschaft. Außerdem hat Geyer bei seinen Spielern festgestellt, „dass einige sich leicht überschätzen“. So etwas mag er besonders gern: „Seitdem es diese beschissenen Schuhe gibt – rot, blau, silber –, denken die, die Dinger loofen wie der kleene Muck allene. Die haben doch ’ne Ritzel an der Dattel.“

Die aktuelle Saison ist für Geyer eine Art Doppelsaison: Zum einen betreibt er die Konsolidierung der vorhandenen Mannschaft, zum anderen und zugleich fördert er den Neuaufbau mit jungen Kräften. Von den 26 Spielern des Kaders sind 16 Deutsche, was es schon mathematisch unmöglich macht, wie zu Bundesligazeiten elf Ausländer aufs Feld zu schicken. „Doch wenn uns mal zwei, drei Spieler ausfallen, können wir kein Spiel gewinnen“, sagt Geyer. „Da sind uns noch einige Mannschaften vorneweg.“

Am Ende aber entscheidet nicht der beste Kader über den Aufstieg, sondern die höchste Punktzahl. Kapitän Christian Beeck sagte nach dem 2:1 gegen Aue: „Selbst im Aufstiegsjahr haben wir solche Spiele immer verloren.“ Diesmal drehten sie die Begegnung, in der sie zur Pause 0:1 zurücklagen. Trotzdem bleibt Geyer dabei: „Ich werde nicht über den Aufstieg reden.“

Und so schwankt Cottbus zwischen Hoffnung und Übervorsicht, Stolz und Trotz. Im Vorwort der Stadionzeitung klagte der Verein über einen unglaublichen „Affront“ der Brandenburger Medien. Die nämlich haben Energie Cottbus, „den bekanntesten und beliebtesten Brandenburger Verein“, diesmal nicht für die Wahl zum Sportler des Jahres nominiert. Die Fans sollten daher „jetzt erst recht“ für Energie stimmen: „Wie peinlich für die Macher, sollte der FC Energie Cottbus eine Wahl gewinnen, für die er nicht einmal nominiert wurde.“ Wahrscheinlich würde das auch Eduard Geyer gefallen.

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