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Sport: Rocchigiani verzichtet auf verbale Attacken und die Begrüßung

Zum Glück werden Boxkämpfe im Ring und nicht auf Pressekonferenzen entschieden. Sonst sähe es nicht gut aus für den zahmen "Tiger" ("Guten Tag, zusammen") gegen den rabiaten "Rocky" ("Das Vorgeplänkel geht mir auf den Keks").

Zum Glück werden Boxkämpfe im Ring und nicht auf Pressekonferenzen entschieden. Sonst sähe es nicht gut aus für den zahmen "Tiger" ("Guten Tag, zusammen") gegen den rabiaten "Rocky" ("Das Vorgeplänkel geht mir auf den Keks"). Dariusz Michalczewski kam auf Bitten der Fotografen artig zurück aufs Podium für das gemeinsame Bild. Doch achtlos, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, drängte sich Graciano Rocchigiani an seinem Gegner vorbei und verließ das Medien-Ereignis, das in einem Hotel in Hannover Las-Vegas-Dimensionen angenommen hatte.

Ein Dutzend Fernsehkameras, zwei Dutzend Bildreporter, aber kein Foto mit beiden Fightern. Bedauernd zuckte der "Tiger" mit den Schultern und trottete davon. "Rocky" hatte ihn einfach links liegen gelassen. Der Herausforderer verzichtete diesmal auf verbale Tiefschläge wie vor drei Monaten ("Dariusz, du bist ein dummer Pole"), benutzte aber eine andere Psycho-Strategie gegen den WBO-Weltmeister im Halbschwergewicht. Vor ihrer "Abrechnung", so das offizielle Motto des Showdowns, am kommenden Sonnabend in der neuen Preussag-Arena von Hannover, ließ der unhöfliche Berliner den artigen Wahl-Hamburger erst eine Viertelstunde warten, begrüßte dann zwar den neben dem "Tiger" sitzenden Promoter Klaus-Peter Kohl mit Handschlag, ignorierte aber den Champion völlig. Immerhin hat der 36-Jährige nach über zwei Jahren Kampfpause der Bereitschaft des Titelverteidigers seinen vielleicht letzten großen Zahltag zu verdanken. Während Michalczewski, elegant im grauen Anzug und schwarzem Sporthemd, leicht nervös auf seinen Lippen herumkaute, alberte Rocchigiani, in schwarzer Lederjacke und mit Baseballmütze, mit seinem Bruder Ralf herum, gähnte zwischendurch auch schon mal gelangweilt.

Gespielte Demonstration überlegener Gelassenheit? Die schwarze Sonnenbrille jedenfalls, verriet "Rocky", sei "einfach nur Show" - und keine Tarnung für eine Verletzung. "Die Vorbereitungen sind ohne Missgeschick abgelaufen, und ich werde am Sonnabend absolut topfit im Ring sein. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe", gab sich "Rocky" seinem Image entsprechend zunächst wortkarg. Bei der Frage nach seiner Einschätzung des amerikanischen Ringrichters blieb er nach seinen schlechten Erfahrungen sogar ganz stumm. Was vor drei Jahren und acht Monaten war, der Skandal, als er wegen Nachschlagens disqualifiziert worden war, interessiert Rocchigiani nicht. "Abrechnung", "Hasskampf", alles, um es im Jargon des Berliners auszudrücken, ist für ihn "Jequatsche". "Der alte Kampf zählt nicht mehr. Abwarten, Tee trinken. Vorher viel reden ist nicht mein Ding."

Dennoch: Wer hier wem Revanche gebe, bleibe dahingestellt. "Rocky" gab sich ganz pragmatisch: "Das ist eine Weltmeisterschaft für mich. Ich habe mich ruhig und konzentriert darauf vorbereitet. Natürlich sind Emotionen da, aber die sollte man im Ring außen vor lassen. Viel reden bringt nichts. Ich bin dafür, man geht in den Ring und zeigt, was man kann." Zumindest bei den Emotionen waren sich die Beiden einig. "Emotionen sollte man zu Hause lassen", meinte auch Dariusz Michalczewski, "und seine Leistung im Ring bringen". Eines, beteuerte Dariusz Michalczewski, werde allerdings diesmal anders sein: "Ich habe viel dazu gelernt, bin ein besserer Boxer geworden und werde taktisch anders kämpfen."

Michalczewski sprach von eine "Super-Vorbereitung", in der alles nach Plan gelaufen sei. Der Weltmeister hat auf Gran Canaria, in den Bergen der Hohen Tatra bei Zakopane und in Hamburg trainiert, während sich Rocchigiani unter Anleitung von Weltmeister-Trainer Emanuel Steward im Kronk-Gym in Detroit und in den Pocono Mountains im US-Bundesstaat Pennsylvania vorbereitet hat. "Dariusz ist topfit. Wir werden einen Riesenkampf sehen", versprach Michalczewskis Trainer Fritz Sdunek.

Hartmut Scherzer

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