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Sport: Rodeln statt heiraten

Bei Sylke Otto dreht sich schon jetzt alles um die Olympischen Spiele 2006

Berlin. Sylke Otto fängt in ihrer dünnen Kleidung allmählich an zu bibbern. Es ist kalt auf dem Rasen, in der Ferne lachen ein paar Teamkollegen, doch sie bleibt geduldig und lächelt ins Objektiv einer Fotokamera. Die 34-jährige Blondine sagt: „Das gehört zum Geschäft.“ Vielleicht spielt bei den jungen Rodlern, die sich über das Fotoshooting amüsieren, der Neid eine Rolle: Von einem Fototermin für die Presse sind sie noch weit entfernt. Bei Sylke Otto vom WSC Erzgebirge Oberwiesenthal ist das anders, sie hat alles gewonnen, was es für eine Rodlerin zu gewinnen gibt: Olympiagold, Welt- und Europameistertitel, Weltcups und nationale Meisterschaften. Seit 23 Jahren betreibt sie den Sport, es ist ihr anzumerken, dass die Zeit bis Olympia 2006 in Turin für sie eine Periode des Genießens werden soll. „Mir macht der Sport noch riesengroßen Spaß“, sagt sie. Auf die Frage, was ihr ein Fotoshooting in diesem Zusammenhang gibt, lautet ihre Antwort: „Ebenfalls Spaß, aber ich würde nie über eine bestimmte Grenze gehen.“

Etwas später, im warmen Hotel und mit einer Tasse Kaffee in der Hand, erzählt die pharmazeutisch-technische Assistentin, warum sie gerade in dieser Saison das Rodeln genießen möchte. „Ich muss mir nichts mehr beweisen“, sagt sie. Auch, warum sie mit den internationalen Konkurrentinnen, die gegen die Deutschen seit Jahren keine Chance haben, kein Mitleid empfindet. „Wir sind vor allem athletisch besser, das heißt, wir trainieren härter und zielgerichteter.“

„Zweimal schon, 1992 und 1994, wollte ich aufhören, bei Olympia 1998 in Nagano war ich auch nur als Touristin, musste also durch einige Tiefs“, erzählt Sylke Otto. Sie galt da bereits als die ewige Vierte. Am Tage arbeitete sie ganz normal in einer Apotheke, und das Training danach reichte für keine Spitzenplätze aus. „Es war ein Scheißgefühl, immer wieder nur diesen vierten Platz zu belegen“, erzählt Otto.

Auch der Wechsel zur Bundeswehr, bei der sie als so genannte Sportsoldatin intensiv trainieren konnte und dennoch gut besoldet wurde, brachte nicht sofort schnellere Fahrten. Aber zumindest war der Ehrgeiz bei Sylke Otto wieder erwacht. „In Nagano habe ich als Olympia-Zuschauerin meinem Trainer gesagt, dass ich bei Olympia 2002 in Salt Lake City dabei sein werde.“ Dann sagt die hübsche, junge Frau etwas, was ihre besondere Affinität zum Rodelsport verdeutlicht. „Wäre ich kurz vor Olympia schwanger geworden, ich weiß nicht, was ich gemacht hätte – vielleicht sogar abgetrieben.“

Doch die Sächsin wurde nicht schwanger, nahm 22 Kilo ab, schindete sich im Kraftraum beim Bankdrücken mit Gewichten über 70 kg und fand eine Position auf dem Schlitten, die so flach war wie bei keiner anderen. Dazu hatte sie in ihrem langjährigen Freund Ronald Rund, mit dem sie in Zirndorf bei Nürnberg lebt, einen Mann an ihrer Seite, „der mein Leben aus dem Koffer immer unterstützte“. Vom Jahr 2000 an war es dann so weit: Sylke Otto siegte bei allen Höhepunkten. In Salt Lake City, als sich ihr Traum vom Olympiagold erfüllte, küsste sie das Eis, warf die Arme in die Höhe, und ihr Freund überraschte sie mit einem Heiratsantrag. Aber der totale Erfolg hatte auch eine dunkle Seite. Die Teamkolleginnen waren plötzlich neidisch. „Zum Schluss habe ich mich deswegen über keinen Sieg mehr richtig freuen können“, sagt Sylke Otto.

Im Sommer haben sich die Frauen mal ausgesprochen. Nun macht es Sylke Otto, die bisher keine Zeit zum Heiraten gefunden hat, wieder Spaß. Mit zwei zweiten Weltcuprängen kehrte sie wieder in den Rodelalltag zurück. Alles dreht sich bei ihr um Olympia 2006. Danach soll endlich die Familienplanung den Vorrang haben. Zwei Kinder wünscht sich Sylke Otto eigentlich. Doch plötzlich sagt sie, als habe sie sich noch nie intensiv mit diesem Thema beschäftigt: „2006, mein Gott, da bin ich ja schon 37 – da wird es langsam eng mit zwei Kindern.“

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