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Alles wieder gut. Roger Federer umarmt nach dem historischen Triumph seinen Schweizer Teamkollegen Stanislas Wawrinka und drückt damit auch aus: Die Unstimmigkeiten aus dem WM-Halbfinale in London sind ausgeräumt.

© AFP

Roger Federer nach dem Sieg im Davis-Cup: Hommage an Stan Wawrinka

Der Davis-Cup-Sieg füllt eine Lücke in Roger Federers Sammlung – doch er widmet ihn einem anderen.

Die Nacht war kurz gewesen für die Schweizer Helden, als die Reisegruppe um Roger Federer, Stanislas Wawrinka, Marco Chiudinelli, Michael Lammer und Kapitän Severin Lüthi in Lille ins Flugzeug Richtung Genf stieg. Doch der Rausch des Glücks und die Eindrücke von ihrem Triumph über die Franzosen vor der spektakulären Tennis-Rekordkulisse von 27.432 Zuschauern im umgestalteten Fußballstadion hingen ihnen immer noch nach. Sie hatten es tatsächlich geschafft: Die Schweiz war als kleinste Nation erstmals in der Geschichte Davis-Cup-Sieger geworden. Es ist der größte Titel, den eine Schweizer Mannschaft jemals in einer globalen Sportart gewonnen hat.

Die Schweizer bereiteten der Mannschaft am Nachmittag zu Tausenden einen stürmischen Empfang auf dem Place de la Navigation in Lausanne. Es war Federer, der darauf bestanden hatte, dass die Feier in der Heimatstadt Wawrinkas stattfinden solle – als „Hommage an Stan“, wie der Präsident von Swiss Tennis, René Stammbach, erklärte.

Eigentlich schien der Triumph in Lille ja Federers großer Moment gewesen zu sein. Der 33-Jährige hatte den entscheidenden Punkt gegen Richard Gasquet geholt und mit dem Davis Cup auch für sich selbst eine der letzten Lücken in seinem überbordenden Trophäenschrank geschlossen. Als Einzelspieler hat Federer fast alle Rekorde gebrochen, 17 Grand Slams und insgesamt 82 Titel gewonnen, war 302 Wochen lang die Nummer eins der Weltrangliste. Wozu da noch der Davis Cup? „Das ist ein ganz anderes Gefühl, als wenn man einen Grand Slam gewinnt“, schwärmte Federer, „und es ist ein fantastischer Sieg für das Schweizer Tennis und unsere Fans.“ Doch er widmete diesen Triumph noch einem anderen: „Am meisten freut es mich für Stan“, sagte er, „das ist sein Sieg. Er hat in all diesen Jahren so viel gegeben für dieses Team.“

Diese Hommage an Wawrinka war der letzte, demonstrative Beweis, dass zwischen ihnen alles in Ordnung ist. Und dass Federer weiß, was er dem 29 Jahre alten Lausanner schuldig ist, der in den vergangenen zehn Jahren für den Davis Cup bis in die entlegensten Winkel der Welt gereist war und die Schweiz noch im Herbst 2013 in Ecuador vor dem Abstieg aus der Weltgruppe bewahrt hatte. Federer spielte in den 15 Jahren seiner Karriere aufgrund des harten Turnierkalenders nur selten im Team und erntete oft Kritik dafür. Doch er hatte immer versprochen, dass der Zeitpunkt kommen werde, an dem er sich der Mission Cup-Gewinn unterordnen würde.

Federer hielt in dieser Saison Wort. Doch ohne Wawrinka hielte er die „hässlichste Salatschüssel der Welt“ sicher nicht in Händen. So war auch klar, dass die beiden ihren Disput, der sich kurz zuvor im Halbfinal-Duell bei den World Tour Finals in London entlud, schnellstens beseitigen mussten. Sie taten es, sofort nach Matchende in London geigten sich die beiden im Fitnessraum die Meinung. Federers Ehefrau Mirka hatte mit einem „Heulsuse“-Zwischenruf während der Partie Wawrinka zur Weißglut gebracht. Federer wehrte danach vier Matchbälle ab, verletzte sich am Rücken und Wawrinka war „moralisch völlig zerstört“ – schlimmer konnte es vor Lille eigentlich nicht kommen. „Wenn wir Probleme haben, dann reden wir miteinander“, sagte Wawrinka. Es spricht für ihr Verhältnis, dass sie Unstimmigkeiten sofort ausräumen.

Sie mögen sich, vertrauen einander inzwischen auch. Federer hat stets ein offenes Ohr für den Australian-Open-Sieger, wenn der es möchte. Und als Wawrinka im Viertelfinale gegen Kasachstan auf einmal die Nerven flatterten, redete ihn Federer die halbe Nacht lang wieder stark. So war auch Wawrinka in Lille für Federer da, als dieser gegen seine Schmerzen kämpfte. Sie wussten, dass sie diesen Kraftakt gegen die Franzosen nur gemeinsam stemmen konnten. Einer für den anderen. Komme, was wolle. Es war für sie vielleicht die letzte Chance auf den goldenen Erfolg, die mussten sie nutzen. Besonders mit einer so starken Mannschaft. „Das ist wie Neymar und Messi im gleichen Team“, sagte der Coach der Schweizer Damen Heinz Günthardt. Die vorletzte Mission auf seiner Liste hat Federer nun abgehakt. Fehlt nur noch die olympische Goldmedaille, 2016 in Rio.

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