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Sport: Rollentausch

Ralf Schumacher beginnt seinem viel berühmteren Bruder Michael den Rang abzulaufen

Magny-Cours. Mit einem Bruderkampf um den WM-Titel konnte die Formel 1 bisher noch nicht aufwarten. Nun ist es so weit, nach dem zehnten von 16 Rennen der Saison. Nur Ralf Schumacher, der nach seinem Sieg beim Großen Preis von Frankreich bis auf elf Punkte an seinen berühmten Bruder Michael herangekommen ist, will davon noch nichts wissen. „Ein paar gute Rennen machen noch keinen Champion aus“, sagt der 28-Jährige. Aber auch das konnten seine Fans am Montag auf seiner Homepage lesen: „Natürlich ist das wie ein Traum, und ab und zu kneife ich mich in den Arm, um zu sehen, ob das alles wirklich wahr ist.“

Michael Schumacher, der mit Siegen verwöhnte, besonders ehrgeizige und auch manchmal sehr verbissen wirkende fünfmalige Weltmeister, macht öffentlich gute Miene zum für ihn ungewohnten Geschehen: „Wenn ich verliere, dann verliere ich ja schon lieber gegen Ralf. Dann bleiben die Siege wenigstens in der Familie." Er gönne dem Bruder die Erfolge auch und zähle ihn nunmehr zum Favoritenkreis. Das hört sich nicht gerade nach einer Familienkrise im Hause Schumacher an, obwohl der Kleine dem Großen auf einmal die Show stiehlt. „Natürlich nicht“, würden beide auf die Frage nach der Familienkrise antworten, wenn sie ihnen denn so gestellt werden würde. Das versucht aber niemand, weil man die Antwort schon im Voraus zu kennen glaubt. Aber trotz aller Beteuerungen, ein bisschen scheinen sich zumindest die Rollen der beiden Schumachers zu verschieben.

Es sind die kleinen Worte, die versteckten Gesten, die das vermuten lassen. Bisher war es eher Ralf, der öffentlich ein wenig gegen Michael stichelte oder ihn sogar ein wenig provozierte. Der Champion spielte dagegen bislang die Rolle des Beschützers für den so genannten Kleinen. Anders am Sonntagabend in Magny-Cours, nachdem Ralf Schumacher den zweiten Grand Prix in Folge gewonnen hatte. Da wurde der BMW-Williams-Pilot auf seine Chancen für den nächsten WM-Lauf in Silverstone angesprochen. Ralf Schumacher antwortete: „Na ja, das ist halt eine andere Strecke.“ „Ach ja, wirklich“, fragte Michael Schumacher, als wollte er sagen: Das war ja jetzt eine tolle Weisheit, die du da von dir gegeben hast. Überleg’ dir doch vorher, was du redest. Ralf Schumacher jedenfalls konterte nur: „Okay, wir werden ja sehen, wer dann da gewinnt.“

Der Spontanere, der offenere der beiden ist Ralf Schumacher normalerweise ohnehin. Man sieht ihm die Emotionen an, während Michael Schumacher eher zurückgezogen wirkt, auch zurückhaltender reagiert. Versucht er dann wirklich einmal das Gegenteil, wirkt das aufgesetzt. Gerade dieser Unterschied könnte Ralf Schumacher nun in der Phase des Erfolges bei den Fans zusätzliche Pluspunkte einbringen. Und bei Michael Schumacher zu Ärger führen. Nach vielen Jahren der Dominanz und der Medienpräsenz kennt mittlerweile jeder dessen routinierte Abgeklärtheit und die meist mehrmals überdachten Aussagen. So genau, dass nicht wenige ihrer allmählich überdrüssig werden.

Ein lockererRalf Schumacher sorgt mit seinen flotten Sprüchen für etwas Neues. Der Erfolg gibt ihm nunmehr eine natürliche Sicherheit. Die wirkt viel bescheidener als das betont zur Schau gestellte Selbstbewusstsein von Michael Schumacher. Nicht selten war das auch als Arroganz bewertet worden.

Und noch einen Faktor hat der jüngere Schumacher, der in der vorigen Woche 28 Jahre alt wurde, auf seiner Seite: den des Außenseiters. Zu Saisonbeginn war er nach Problemen mit dem Auto und eigenen Fehlern schon fast abgeschrieben worden. Auch die öffentlichen Diskussionen über sein Privatleben machten es ihm nicht leichter, sich auf seinen Job zu konzentrieren. „Ich habe gelernt, dass es am besten ist, wenn man gar nicht alles liest, was in der Zeitung steht“, sagte er immer wieder. Verletzt haben ihn manche Storys dennoch.

Da ist das jetzige Leben, das ihn mit euphorischen Schlagzeilen begleitet, viel erträglicher. Doch er genießt und schweigt lieber. „So selbstbewusst ich auch bin, aber gerade in derartigen Situationen stellt sich bei mir eine gewisse Bescheidenheit ein. Ich sage mir: Super, Ralf, du hast nun zweimal hintereinander gewonnen, drei Pole-positions in vier Rennen geholt – schön, freu’ dich, aber in Wirklichkeit hast du noch nichts erreicht“, sagte er noch in Frankreich. Ein Glas Champagner, ein paar Fotos, das war’s auch schon. In zwei Wochen in Silverstone geht es mit dem Bruderkampf weiter.

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