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Sport: Ronaldinho lacht nicht mehr

Weltmeister Brasilien ist an Zidanes Frankreich gescheitert

Der Anfang war wirklich gut. Man sollte sich an den Beginn des Spiels zwischen Frankreich und Brasilien erinnern, damit die ganze Tragik des brasilianischen Ausscheidens deutlich wird. Zu Beginn dieses Spiels also sah man zwei sehr entschlossene Männer am Mittelkreis stehen. Ronaldo und Ronaldinho. Beide hatten im Laufe des Turniers stellvertretend für die ganze Mannschaft viel Kritik einstecken müssen, und beide hatten um Geduld gebeten und betont: „Es wird noch besser.“ Ronaldo hatte wenigstens Tore geschossen und sogar den Rekord von Gerd Müller eingestellt, Ronaldinho dagegen war selbst zunehmend unzufriedener geworden, weil er wusste, dass es einfach nicht rund lief bei ihm und der Mannschaft. Ehrlich, wie er ist, hatte er sogar zugegeben: „Es gibt keinen Zweifel daran, dass ich noch nicht gezeigt habe, was ich wirklich kann. Aber es motiviert mich nur noch mehr.“

Das also war der Hintergrund, als dieses Viertelfinalspiel in Frankfurt angepfiffen wurde. Und so liefen und kombinierten die beiden wichtigsten Protagonisten der Brasilianer in den ersten 15 Minuten so viel wie noch nie in diesem Turnier. Flanke Ronaldinho, Kopfball Ronaldo, Pass Ronaldinho, Schuss Ronaldo. Ronaldo links, Ronaldo rechts, Ronaldo tief im Mittelfeld.

Überraschend hatte Trainer Carlos Alberto Parreira Ronaldinho von den Aufgaben in der Defensive befreit, obwohl er genau diese Aufgaben während des Turniers immer wieder erfüllen sollte, um Ordnung zu halten im brasilianischen Spiel. Ausgerechnet im bisher wichtigsten Spiel der Selecao begann Brasilien so offensiv wie nie.

Nominell stand mit Ronaldo zwar nur ein Stürmer auf dem Platz, doch da Ronaldinho als zweite Spitze spielte und Kaka und Juninho Pernambucano sehr offensiv ausgerichtet waren, ergab sich dieses Bild. 15 Minuten lang. Dann geschah das, was sich selbst die Brasilianer nicht so recht erklären konnten. Sie verloren die eigene Ordnung im Mittelfeld und die Kontrolle über das gesamte Spiel, und es war ausgerechnet das Fehlen Ronaldinhos in der zentralen Spielposition, das diesen Prozess beschleunigte.

Je länger das Spiel dauerte, desto mehr verstärkte sich der Eindruck, Ronaldinho sei verschwunden. Manchmal stand er einsam auf der linken Angriffsseite und winkte, aber niemand sah ihn. Dann wirbelte Ronaldinho auf rechts, aber drei Franzosen umzingelten ihn und verbauten alle Anspielstationen. Auf der anderen Seite zeigte Zidane, wie man ein Spiel an sich reißen kann. Ronaldinho dagegen stand meist verloren im Angriff herum. Was als taktische Finte gedacht war, hatte sich schon im Laufe der ersten Halbzeit als Fehler erwiesen. Erstaunlich war nur, dass es Parreira nicht wahrhaben wollte. Erst als er weit in der zweiten Halbzeit mit Adriano und Robinho zwei weitere Stürmer brachte, durfte Ronaldinho hinter den Spitzen agieren. Aber da war es schon zu spät.

Nach der 0:1-Niederlage kritisierte Parreira die „Hast“ seiner Spieler und lobte die ruhige Kontrolle des Gegners. Auf taktische Diskussionen ließ er sich nicht ein, beleidigt stellte er fest: „Wenn du gewinnst, ist es das Talent der Spieler, wenn du verlierst, ist der Trainer schuld.“ Dann verteidigte Parreira seine Aufstellung und auch den anfänglichen Verzicht auf Jungstar Robinho mit den Worten: „Um in solchen Spielen die richtigen Entscheidungen zu treffen, braucht man Erfahrung, ich habe 40 Jahre Erfahrung. Ich habe das getan, was ich tun wollte.“

Derweil hatte Ronaldinho den Kampf um das ewige Lächeln verloren. Die Leichtigkeit war aus seinen Gesichtszügen verschwunden wie das Nike-Zeichen von seinem Stirnband. Bei der Nationalhymne prangte das Logo des Sponsors noch bestens platziert auf dem schwarzen Tuch, als das Spiel begann, hatte er es gegen sein eigenes Label ausgetauscht, und es war nur noch der erste Buchstabe seines Namens auf seiner Stirn zu sehen. Vielleicht war das auch als Signal gemeint, dass er, die Werbe-Ikone Ronaldinho, jetzt nur noch der Fußballer Ronaldinho sein wollte, um endlich alle Erwartungen zu erfüllen. Es klappte nicht. Das Spiel hatte mit der Leichtfüßigkeit Ronaldinhos begonnen – am Ende hatte ihn die Disziplin der französischen Mannschaft besiegt. Und Zidane.

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