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© dpa

Rubens Barrichello: Ende der Wartezeit

Rubens Barrichello gewinnt in Valencia nach fünf Jahren wieder ein Formel-1-Rennen, Sebastian Vettel scheidet aus.

Sebastian Vettel blickte auf den Monitor, der die anderen Formel-1-Autos beim Herumrasen zeigte. Der Red-Bull-Pilot zog die Augenbrauen hoch und zuckte mit den Schultern, über die er sich ein nasses Handtuch geworfen hatte, um der brütenden Hitze im Hafen von Valencia zu trotzen. Ich kann nichts dafür, sollte diese Geste wohl sagen, und in der Tat: Ein solches Kühlhandtuch hätte bei über 30 Grad Celsius wohl vor allem sein Renault-Motor benötigt. Der war kurz zuvor kollabiert, wieder einmal. Die schönste Abkühlung nach dem Großen Preis von Europa, den eiskalten Siegerchampagner, bekam deswegen einer, bei dem diesmal ausnahmsweise gar nichts schief ging: Rubens Barrichello.

Der 37-Jährige, der sich wegen seines aberwitzigen Pechs zuletzt sogar von seinem eigenen Team Brawn-Mercedes verfolgt sah, profitierte bei seinem ersten Sieg seit fünf Jahren vom Malheur des Weltmeisters. McLaren-Pilot Lewis Hamilton raste wie schon vor vier Wochen in Ungarn einem Sieg entgegen. Doch 21 Runden vor Schluss missglückte sein letzter Boxenstopp, bei dem das rechte Vorderrad drei, vier Sekunden zu spät geliefert wurde – das genügte Barrichello, um vorbeizuschlüpfen und vor Hamilton und dem Ferrari-Piloten Kimi Räikkönen unter dem anerkennenden Tröten der Luxusjachten durchs Ziel zu fahren.

„Das war ein fantastisches Wochenende, das werde ich niemals vergessen“, sagte der Brasilianer mit einem glückseligen Grinsen. „Ich wünschte, dieser Moment würde für immer anhalten.“ Er widmete ihn seinem Freund und Vorjahressieger Felipe Massa, der wegen der von Barrichellos Wagen abgesprungenen Stahlfeder in der Qualifikation zum Rennen in Ungarn einen schweren Unfall erlitt und in Sao Paulo am Fernseher zusah. Der enttäuschte Hamilton nahm seine Mitarbeiter in Schutz. „Wir gewinnen und verlieren zusammen“, sagte er. „Es war kein Fehler der Boxencrew, es war nur ungünstiges Timing. Es war nicht klar, ob ich noch genug Benzin für eine weitere Runde hatte oder nicht, also bin ich lieber reingekommen.“ Offensichtlich überraschte er damit einige seiner Mitarbeiter.

Fehlerlos blieb Nico Rosberg, der im Williams Fünfter wurde. Adrian Sutil (Force India) wurde als Zehnter direkt vor dem BMW-Piloten Nick Heidfeld abgewunken, Toyota-Fahrer Timo Glock wurde 14. Am Ende des Feldes rutschte Luca Badoer teilweise auf abenteuerliche Weise um die Strecke und schließlich als Vorletzter ins Ziel.

Der Ferrari-Ersatzfahrer für den verunglückten Felipe Massa ließ sich sogar in der Boxengasse von Renaults Neuling Romain Grosjean überholen und kassierte dabei auch noch eine Strafe, weil er die weiße Linie überfuhr.

Der leidgeplagte Barrichello dagegen befindet sich auch in der WM-Wertung auf der Überholspur und zog sowohl an Vettel als auch an dessen Teamkollegen Mark Webber, der als Neunter bei 51,5 Punkten bleibt, vorbei auf Rang zwei. Barrichello hat nun 54 Zähler, fehlen noch 18 auf seinen in Valencia siebtplatzierten Stallgefährten Jenson Button (72).

Sebastian Vettel blieb bei seinen 47 Punkten hängen. „Die WM wird schwieriger“, gab er zu. „Wenn man Rückstand hat, aber ganz vorne mitmischen will, dann darf das nicht passieren.“ Dabei war er selbst diesmal ohne Fehler geblieben, nachdem er sich in Ungarn den Wagen selbst kaputt gefahren hatte. Er legte einen vergleichsweise guten Start hin, bei dem er lediglich von Räikkönen überholt wurde und auf Rang fünf zurückfiel. Doch dann musste er wegen einer Panne zunächst zweimal in Folge die Box zum Nachtanken ansteuern. „Es ging kein Benzin ins Auto“, sagte Vettel. Nach 23 Runden schlug der Motorenfluch, der auf ihm zu liegen scheint, erbarmungslos zu – bereits am Samstag war ihm im Training ein Aggregat um die Ohren geflogen. „Ob es der Auspuffkrümmer oder der Motor war, das wissen wir jetzt noch nicht genau.“ Vettel hat in dieser Saison bereits sechs Motoren verbraucht – in den verbleibenden sechs Rennen darf er nun laut den Regeln nur noch zwei weitere einsetzen. Für jeden weiteren Motor wird er mit dem Verlust von zehn Startplätzen bestraft.

Während der Titel für Vettel in immer weitere Ferne rückt, erhofft sich Barrichello eine späte Krönung seiner Karriere „Ich denke, das ist sehr, sehr gut möglich.“

Christian Hönicke[Valencia]

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