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Sport: Rudi und die Irländer

Von Stefan Hermanns Miyazaki. Nun gut, es war noch früh, halb neun Uhr erst, und vielleicht erklärt das vorzeitige Ende der Nachtruhe die leichten Unkonzentriertheiten des deutschen Teamchefs.

Von Stefan Hermanns

Miyazaki. Nun gut, es war noch früh, halb neun Uhr erst, und vielleicht erklärt das vorzeitige Ende der Nachtruhe die leichten Unkonzentriertheiten des deutschen Teamchefs. Rudi Völler sprach bei der Pressekonferenz kurz vor dem Abflug der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zum zweiten Gruppenspiel dieser Weltmeisterschaft in Ibaraki ausschließlich von den „Irländern“, wenn er die Iren meinte. Aber möglicherweise hatte Völlers Wortneuschöpfung sogar einen tieferen Sinn: Der „Irländer“, das könnte eine englisch-irische Kreuzung sein.

Den Deutschen gilt die irische Nationalmannschaft ja längst als eine Art Double des englischen Teams, nur dass, wie die „Süddeutsche Zeitung“ zur Beruhigung der Heimat anführte, Owen und Beckham nicht mitspielen. Es spielen auch sonst keine großen Stars in der Mannschaft, die von Mick McCarthy betreut wird. Der Einzige, Roy Keane von Manchester United, hat sich durch seine Undiszipliniertheit selbst um die Möglichkeit gebracht, an dieser Weltmeisterschaft teilzunehmen. McCarthys Entscheidung war mutig, weil der Kapitän als unersetzlich galt, doch nach dem ersten Gruppenspiel der Iren, einem 1:1 gegen den Afrikameister Kamerun, musste auch Rudi Völler erkennen: „Der Ausfall hat sich nicht bemerkbar gemacht." Ungewollt ähneln sich damit die Grundkonzepte beider Teams, die heute in Ibaraki im zweiten Spiel der Gruppe E (13.30 Uhr, live im ZDF) aufeinander treffen. Auch die Deutschen beschwören mangels herausragender Einzelspieler in ihrem Kader die Kraft des Kollektivs. Und dem Team von Rudi Völler wurde für dieses Turnier allgemein ebenso wenig zugetraut wie den Iren ohne Keane. Diese öffentliche Geringschätzung hat im Spiel gegen Kamerun eine Reaktion ausgelöst, wie sie auch bei Mannschaften zu beobachten ist, die nach einem Platzverweis in Unterzahl spielen. Die Dezimierung des eigenen Teams führt bei den Verbliebenen zu der Erkenntnis, dass sie sich noch stärker engagieren müssen, um der Überlegenheit des Gegners zu trotzen. Der Ausfall von Keane hat die Iren „gekitzelt, noch mehr zu tun“, glaubt Völler.

„Sie haben um jeden Zentimeter gekämpft, gearbeitet, gegrätscht.“ Bernd Schneider hat die irische Mannschaft im Spiel gegen Kamerun „zweikampfstark, selbstbewusst und couragiert“ erlebt. Ähnliche Attribute wurden früher immer im Zusammenhang mit der deutschen Nationalmannschaft verwendet, und zweikampfstark, selbstbewusst, couragiert will sie auch heute auftreten. „Angst haben wir vor gar keinem Gegner“, sagt Jens Jeremies, folglich auch nicht vor den Iren, zumal die Deutschen doch ein wenig auf die Spätfolgen der Suspendierung Keanes hoffen.

Andererseits bauen die Nationalspieler nach dem 8:0-Sieg zum Auftakt des Turniers wieder zunehmend auf die eigene Stärke. Alle sind fit und einsatzbereit, doch vermutlich wird Völler dieselben elf Spieler aufbieten, die auch gegen Saudi-Arabien angefangen haben. „Wir sind selbstbewusst genug“, sagt der Teamchef. Mit einem Sieg hätte sich die Mannschaft bereits vor dem letzten Gruppenspiel gegen Kamerun für das Achtelfinale qualifiziert. Das ist Motivation genug, weswegen Völler gestern bereits ungewohnt deutlich ankündigte: „Morgen geht die Post ab." Also aufgepasst, Irländer!

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