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Sport: Rückbesinnung auf dem Weg nach vorn

Der Sieg saß. Beim Verlassen der Stätte des Triumphes und vor dem Eintauchen in die Unterführung zu den Kabinen hielt Jürgen Röber kurz inne.

Der Sieg saß. Beim Verlassen der Stätte des Triumphes und vor dem Eintauchen in die Unterführung zu den Kabinen hielt Jürgen Röber kurz inne. Er, der Trainer von Hertha BSC, setzte einen Schritt zurück, um so noch einen vielsagenden Gruß hoch auf die Kuchentribüne des Olympiastadions schicken zu können. Da nämlich sitzen die teuren Gäste - nicht nur Freunde und Bekannte, sondern auch Skeptiker und Kritiker. Seine Mannschaft hatte den FC Bayern München geschlagen. Und ein bisschen hatte auch er gewonnen. Das wird Jürgen Röber zwar so nie sagen; sein Körper und seine Augen sprachen für ihn. Zum Thema Fotostrecke I: Bilder der Saison 01/02 Fotostrecke II: Hertha Backstage Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Röber nahm die Stufen der Treppe hinab wie einst Fred Astaire - locker, leicht, beschwingt. Nichts hätte ihn aufhalten können, nicht die beste Mannschaft der Welt, nicht die Dezember-Kälte, nicht die vielen verletzten Nationalspieler, die er zu ersetzen hatte. Nichts. An diesem Tag gar nichts.

Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um vorwärts zu kommen. Das wird er sich vor einigen Wochen gedacht haben. Gezwungenermaßen. Hertha krebste im Mittelmaß - Besserung war keine in Sicht, dafür schwere Gegner. Dann fiel auch noch Herthas Spielgestalter Sebastian Deisler aus. Schließlich verabschiedete sich der begnadete Bursche mit der Bemerkung in die Rehabilitation, er werde sich im kommenden Sommer ganz aus Berlin verabschieden. Röber blieb nicht viel - schon gar nicht die Aussicht, im kommenden Sommer noch Trainer von Hertha zu sein. Dann endet sein Vertrag. Die Mannschaft musste sich besinnen. Und was war da besser, als sich auf das zu besinnen, was man am besten kann. Tugenden waren wieder gefragt, die Hertha schon einmal in die Champions League brachten. Röber setzte auf vertraute Akteure, die seinem Verständnis von Einsatzfreude und -bereitschaft entsprechen: auf Schmidt, Tretschok, Dardai, Neuendorf und so. Und die Neuen? Marcelinho hat in Berlin gelernt, dass es ohne ihn nicht geht, und Goor, dass es ohne Biss nicht geht. "Wir sind über den Kampf ins Spiel gekommen", sagt Röber nach dem 2:1 gegen die Bayern. Und er sagt: "Gegen die Bayern kannst du nicht nur auf Künstler setzen." Das Spielerische hat Pause.

Nach einem Alex Alves fragt in Berlin niemand mehr. Stefan Beinlich ist verletzt. Und seit Deisler fehlt, hat Hertha nicht mehr verloren. Nicht weil er fehlt, wohl aber hat sein Fernblieben einen ähnlichen Effekt bewirkt, wie wenn eine Mannschaft nur zu zehnt spielt. Alle Beteiligten mussten etwas mehr tun, Verantwortung übernehmen, sich überwinden. Wie schon vor einer Woche in Rostock habe sich seine Mannschaft von einem Rückstand nicht umwerfen lassen. Zu Saison-Beginn sah das noch ganz anders aus.

"Siege über die Bayern kosten Kraft", sagt Röber und hofft: Siege über die Bayern bringen Selbstbewusstsein. "Wenn du solche Erfolgserlebnisse hast, glaubst du wieder an dich. Dann läuft es sich leichter." Den Glauben an sein Team hatte Röber nie verloren, nur waren Beine und Köpfe schwer.

Manager Dieter Hoeneß hatte andere Sorgen. Wie kann Selbstzufriedenheit bekämpft werden, die sich bei manchem Profi nach dem Gewinn des Ligapokals in der Vorbereitung eingeschlichen hatte? Hoeneß entzog der Mannschaft sämtliche Alibis. Nach den "big points" gegen den Rekordmeister ballte Hoeneß beide Fäuste. Von nun an darf er sich gedanklich wieder mit dem ausgegebenen Saisonziel beschäftigen. Wer in die Champions League will, muss im Mai mindestens auf Platz drei einlaufen. Mit Siegen in den bis Weihnachten ausstehenden Spielen gegen Schalke, Leverkusen und St. Pauli soll Hertha auf Tuchfühlung zu diesem Platz gehen. "Ein Sieg gegen die Bayern ist immer etwas Besonderes. Jetzt sind noch zwei, drei Punkte aufzuholen, die wir am Anfang verloren haben", sagt Hoeneß. In den letzten zweieinhalb Wochen bis zur Winterpause können Vorentscheidungen fallen. Hertha scheint gerüstet und gereift. "Das war ein deutliches Zeichen, dass die Mannschaft auf dem Weg zu dem ist, was sie kann". Und Röber hat sich auf den Weg gemacht, ein paar mehr Freunde auf der Entscheidungsebene zu gewinnen.

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