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Sport: Rückhalt gefunden

Die Münchner relativieren den Fehler ihres Keepers Manuel Neuer bei der Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach

Als Jupp Heynckes nach der Wurzel des Übels forschte, landete er beim Magen-Darm-Keim und dessen unseligem Wirken. „Manuel hat zuletzt drei Tage nicht trainiert. Vielleicht hat das dazu beigetragen, dass er in der Situation nicht ganz so konzentriert war“, sagte Heynckes. Die Situation war das so überstürzte wie vergebliche Hinauslaufen Neuers in der 62. Minute der Partie FC Bayern gegen Borussia Münchengladbach. Daraus resultierte das spielentscheidende 0:1 durch Igor de Camargo und zugleich ein jäher Stimmungsabfall an der Säbener Straße, und das direkt nach dem Saisonstart.

Niemand aus dem Bayernlager stellte den Fauxpas des aus Schalke verpflichteten Nationaltorwarts in Abrede. Am wenigsten der noch vor der Partie als Fußballer des Jahres Geehrte selbst („Da sehe ich natürlich blöd aus“). Aber zugleich waren alle bemüht, Neuers Fehler zu relativieren. Kapitän Philipp Lahm sagte etwa: „Bei dem Gegentor standen wir alle nicht perfekt.“ Dieses Heim-Pflichtspieldebüt geriet auch deswegen nicht zum Spießrutenlauf für den Zugang aus Schalke, weil aus dem Lager der entschiedenen und in den vergangenen Monaten sehr lautstarken Neuer-Gegner in der Südkurve keine Unmutsbekundungen zu vernehmen waren.

Allerdings hat Neuer nun nach der weitgehend unbeschwerten Saisonvorbereitung mit voller Härte zu spüren bekommen, was es heißt, beim FC Bayern anzukommen. Denn die Nachwirkungen seines Infekts vom Ende vergangener Woche sind keine hinreichende Erklärung für den Fehler. Neuer ist ja ein Torwart, der sein Spiel sehr aktiv auslegt. Manchmal schlüpft er gar in die Rolle des so gut wie ausgestorbenen Liberos. Er lotet dabei auch ganz bewusst aus, wie weit er gehen kann. In seiner Zeit bei Schalke war Jahr für Jahr zu beobachten, wie er diese Grenzen immer besser einschätzen konnte. Zuletzt passierten ihm im Prinzip keine Irrläufe mehr – auch weil er im nur bedingt stabilen Gefüge des FC Schalke 04 viel Gelegenheit zum Üben hatte. Nun aber spielt er in einer neuen, noch ungewohnten Umgebung. Gerade in Heimspielen, wenn der Gegner sein Heil in der Defensive sucht, hat ein Bayerntorwart sehr wenige Spielanteile und damit auch keinen echten Rhythmus. Sein Tageszeugnis hängt dann meist von ein, zwei Situationen ab, wie auch jetzt gegen Mönchengladbach. Einmal wehrte Neuer einen tückischen Schlenzer von Juan Arango brillant ab, und einmal – nun ja. Aber womöglich ist der so großzügig mit Talent und Lernfähigkeit gesegnete 25-Jährige schon nach diesem einen verkorksten Spiel ein besserer Bayerntorhüter geworden.

Das zu beweisen, dürfte bereits am kommenden Wochenende bitter nötig werden. Dann steht für die Bayern nämlich eine heikle Partie beim VfB Wolfsburg an. Dem dort wirkenden Trainer Felix Magath ist ja stets ein besonderes Anliegen, seinem ehemaligen Arbeitgeber eins auszuwischen. Einzig mit einem Sieg können die Bayern verhindern, dass die nun schon wieder lauernden Höllenhunde danach ein ohrenbetäubendes Geheul aus Empörung und Spott entfachen. Thomas Müller hatte in seiner ersten Reaktion nach der Niederlage schon düstere Ahnungen: „Alle guten Vorsätze sind schon wieder beim Teufel.“

Allen aus dem Bayern-Kosmos war nach diesem Fehlstart in die Liga klar, dass Manuel Neuer und der neu formierten Abwehr zwar das augenfälligste Missgeschick unterlaufen war, dass das Hauptübel aber woanders lag. Denn viel mehr Anlass zu Besorgnis gab das ideenlose Spiel der Bayernoffensive, eines Mannschaftsteils, der anders als die neu formierte Abwehr schon seit Jahren zusammenwirkt. Mario Gomez klang in seiner Analyse, als sei das Erbe von Louis van Gaal noch nicht komplett abgearbeitet: „Es kann nicht nur auf Teufel komm raus um Ballbesitz, Ballbesitz, Ballbesitz gehen, wenn man dann nicht zum Abschluss kommt.“ Der neue Trainer Heynckes wurde noch etwas konkreter: „Geduld ist das eine, aber man muss das Tempo erhöhen, wenn der Gegner mal nicht so gut organisiert steht. Das haben wir nicht getan.“ Nur hat Heynckes so gut wie keine Möglichkeit, bis nächsten Samstag an diesen Defiziten zu arbeiten, weil sich am Montag ein Großteil seiner Spieler zu ihren jeweiligen Nationalmannschaften verabschiedete. Allein acht Bayernkicker stehen im deutschen Aufgebot für das Testspiel gegen Brasilien am Mittwoch.

Es wird also eine ruhige Woche an der Säbener Straße. Auf listige Art im Ungefähren bleibend, empfahl Heynckes, diese Zeit zur Besinnung zu nutzen. „Man muss wieder bescheidener werden im Verein. Die Meisterschaft wird nicht vor der Saison verteilt.“

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