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Sport: Rückkehr der Unsichtbaren

Hitzlsperger wurde in England Profi – unter Klinsmann soll er Nationalspieler werden

Thomas Hitzlsperger muss auch als designierter Nationalspieler noch Aufklärung in eigener Sache betreiben. Wie er denn in London so lebe, wurde der Mittelfeldspieler von Aston Villa gestern von einem Journalisten gefragt. Hitzlsperger lächelte und antwortete dann in aller Freundlichkeit: „Ich wohne in Birmingham. Das ist nicht London.“ Diese Form von Ignoranz ist er schließlich gewohnt. „Der deutsche Fußball schaut stark auf sich selbst, deswegen bist du im Ausland leider ein bisschen unsichtbar“, hat er in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt. Und Hitzlsperger ist schon seit vier Jahren unsichtbar.

Als 18-Jähriger ist er im Sommer 2000 von den Amateuren des FC Bayern München nach England gewechselt. Hitzlsperger war damals Teil einer jungen deutschen Welle, die auf die Insel schwappte. Sechs deutsche Talente verließen Anfang des Jahrtausends ihre Heimat, um in England Profi zu werden. Seitdem ist ihr Werdegang von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbeobachtet verlaufen. Erst jetzt, da mit dem Berliner Robert Huth und Hitzlsperger die ersten beiden Auswanderer als Nationalspieler nach Deutschland zurückkehren, regt sich das Interesse.

Dass die Engländer unter Jürgen Klinsmann eine Chance in der Nationalmannschaft bekommen, ist kein Zufall. Der neue Bundestrainer gilt als Anhänger des englischen Fußballs. Mutig, aggressiv und offensiv, so wie in England, soll unter Klinsmann die Nationalmannschaft auftreten. Das ist ein Vorteil für Spieler wie Huth oder Hitzlsperger, die ihren Stil nicht eigens umstellen müssen. „Er ist es gewohnt, unter Druck hohes Tempo zu gehen“, sagt Klinsmann über Hitzlsperger.

Am Samstag in Teheran gegen Iran (18 Uhr, live im ZDF) könnte der 22-Jährige zu seinem Debüt in der Nationalelf kommen. Robert Huth, der kantige Innenverteidiger, hat das schon hinter sich. Als 16-Jähriger ist er vom 1. FC Union aus Berlin zu Chelsea gewechselt. Mit 17 debütierte er in der Premier League. In England ist der Abstand zwischen der Jugend und den Profis nicht so groß wie in Deutschland. Die Nachwuchsspieler trainieren häufiger mit der ersten Mannschaft. Der Frankfurter Sebastian Kneißl, der mit Huth in der Jugend von Chelsea gespielt hat, hat einmal gesagt: „Wenn ich bei Eintracht Frankfurt ’Grüß Gott’ zu einem Profi gesagt habe, dann hat der nur geguckt: ’Was willst denn du?’“ Bei Chelsea hat er als 18-Jähriger regelmäßig mit dem französischen Weltmeister Marcel Desailly zu Mittag gegessen.

Kneißl ist inzwischen an den belgischen Zweitligisten Westerlo ausgeliehen. Hitzlsperger aber hat es bei Aston Villa zum Stammspieler gebracht, der ehemalige Schalker Moritz Volz kommt beim FC Fulham regelmäßig zum Einsatz, und Huth wird beim FC Chelsea vom neuen portugiesischen Trainer Jose Mourinho hoch geschätzt, aber nur selten eingesetzt: Zwei Minuten hat Huth in dieser Saison gespielt.

Klinsmann und sein Assistent Joachim Löw haben sich deshalb am Wochenende mit Mourinho in London getroffen. Klinsmann fand es „sehr beeindruckend, wie Mourinho auf den Robert Huth setzt“. Das Problem des 20-Jährigen ist, dass er zurzeit nicht gut genug ist, um an den portugiesischen Weltklasseverteidigern Ferreira und Carvalho vorbeizukommen; dass er aber wiederum zu gut ist, als dass Chelsea ihn wechseln ließe. „Robert könnte sich die Vereine aussuchen“, sagt Löw. „Aber es gibt auf keinen Fall eine Freigabe.“ Für den Fall allerdings, dass sich bis zum Ende der Saison nichts Grundlegendes an Huths Situation ändert, haben Klinsmann und Löw die Zusage, dass der Verteidiger zu einem anderen Verein wechseln darf.

Dass der Berliner nach Deutschland zurückkehrt, ist unwahrscheinlich. Zur Bundesliga hat Huth nach vier Jahren in England keinen Bezug. Bei Hitzlsperger ist das anders. „Es ist immer ein Thema, in der Bundesliga zu spielen“, sagt er. Allerdings würde er nur zurückkehren, wenn der Wechsel ihn fußballerisch weiterbringen würde. Aus dem gleichen Grund ist er vor vier Jahren nach England gegangen, und wenn er sich heute den Kader des FC Bayern München ansieht, weiß Hitzlsperger, dass er alles richtig gemacht hat. Von seinen Mitspielern aus der Jugend hat es bei den Bayern kein Einziger zu den Profis geschafft.

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