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Sport: Rückkehr zweiter Klasse

Jan Ullrich will 2007 wieder Radrennen fahren – doch für die großen Teams wird er wohl nicht starten dürfen

Berlin - Jan Ullrich hat noch Zeit. Sein nächstes sportliches Ziel ist ein Trainingslager. Ob schon gemeinsam mit neuen Teamkollegen oder in einer Gruppe mit befreundeten Radfahrern, steht derzeit nicht fest, wie überhaupt noch nicht konkret zu sagen ist, wie die nächste Saison für den beim Rennstall T-Mobile wegen dringenden Dopingverdachts entlassenen Radstar aussehen wird. Klar ist allerdings, dass einige der dafür wichtigen Entscheidungen in den nächsten Wochen fallen werden. Ende Januar wird man mehr über Jan Ullrich und seine Zukunft auf den für Radprofis abgesperrten Straßen wissen.

Bis dahin wird geklärt sein, ob die Vereinigung der Mannschaften der Pro Tour das Team Discovery Channel ausschließt oder nicht. Der Rennstall, an dem auch der siebenmalige Tour-de- France-Sieger Lance Armstrong beteiligt ist, hat für das neue Jahr den Italiener Ivan Basso unter Vertrag genommen und damit gegen den Ethik-Code der Teams verstoßen, des Dopings verdächtigte Fahrer zu verpflichten. Basso war wie Ullrich wegen der Ermittlungsergebnisse in der spanischen „Operación Puerto“ von der Tour de France 2006 ausgeschlossen worden. Die Entscheidung in diesem Fall ist sehr wichtig für Jan Ullrich, weil die Teams der Pro Tour bei ihrer Sitzung am 11. Januar eine Richtungsentscheidung für den Profi-Radsport im Jahr 2007 fällen werden: Schließen wir Fahrer und auch gleich deren Teams aus, obwohl die Profis nicht für schuldig befunden wurden, aber starke Indizien gegen sie vorliegen?

Laut Ullrichs Manager Wolfgang Strohband laufen gerade Verhandlungen „mit drei Mannschaften, sowohl aus der Pro Tour als auch mit Continental-Teams“. Die 25 Continental-Teams sind die Zweite Liga des Radsports. Ullrich selbst sagte der französischen Sportzeitung „L’Équipe“, er habe „verstanden, dass es für mich wohl keinen Platz mehr in der Pro Tour geben wird“. Diese Einschätzung erscheint realistisch, denn einige Veranstalter großer Radrennen und Rundfahrten der Pro Tour haben bereits angekündigt, Ullrich und auch Ivan Basso ein eventuelles Startrecht verweigern zu wollen. Neben dem Weltverband UCI und den für Dopingverfahren zuständigen Landesverbänden haben auch die Veranstalter der Rennen im dezentral organisierten Profiradsport weitreichende Entscheidungsbefugnisse bei ihren Veranstaltungen. Sie entscheiden mit, wer starten darf oder ausgeladen wird.

Doch bevor diese die riskante Imageentscheidung treffen müssen, einen nicht verurteilten, aber verdächtigten Fahrer an ihren Events teilnehmen zu lassen, bräuchte Jan Ullrich erst einmal eine Fahrerlizenz. Der aus dem Radsport-Verband der Schweiz ausgetretene Ullrich würde erst dann eine Lizenz für die neue Saison beantragen, wenn er einen neuen Vertrag hat. Und den bekommt er erst, wenn der Schweizer Verband seine Dopingermittlungen gegen Ullrich eingestellt haben sollte. Wie in allen anderen Ländern auch darf die Schweizer Disziplinarkammer derzeit die Ermittlungssakten aus Spanien nicht für ein Sportgerichtsverfahren nutzen, bis es dort zu einer Anklageerhebung gegen die Hauptbeschuldigten um den Arzt Eufemiano Fuentes kommt. Dies wird wahrscheinlich bis zum Sommer dauern. Selbst wenn also die Schweizer Disziplinarkammer, die als letzte in Europa trotz der Aktensperre noch ermittelt und damit Jan Ullrich zu einem Sonderfall macht, Mitte Januar wegen der Rechtslage das Strafmaß „Freispruch“ empfiehlt, kann sich Ullrich im Falle seiner Schuld nur für einige Monate sicher sein, dass ihm keine Sperre droht.

Bis dahin ist Ullrich Zeuge im Verfahren gegen Fuentes, weil in Spanien erst vor kurzem ein Anti-Doping-Gesetz auf den Weg gebracht wurde, das nicht rückwirkend für die „Operación Puerto“ gilt. Nach einer Meldung der Sportzeitung „As“ hat Ullrich bereits eine Vorladung erhalten, über etwaige Kontakte zu Fuentes auszusagen.

Der 33-Jährige hat angekündigt, für die Fortsetzung seiner Karriere zu kämpfen. Es sieht derzeit danach aus, dass diese in der Zweiten Liga möglich sein wird, weil sich die Mannschaften keinen vergleichbaren Ethik-Code wie die Pro Tour auferlegt haben. Hier ist sozusagen noch alles beim Alten im Radsport. Wer nicht wegen Dopings verurteilt ist, gilt trotz aller belastenden Indizien als unschuldig und darf mitfahren. Auch Jan Ullrich.

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