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Mesut Özil beim Länderspiel Deutschland-Türkei im Oktober 2010.

© dpa/ Hannibal

Rücktritt aus der Nationalmannschaft: Warum Mesut Özil dem DFB-Team fehlen wird

Mesut Özil wurde zuletzt viel kritisiert: für das Foto mit Erdogan, für seine Körpersprache, für die WM. Dabei gehörte er auch in Russland zu den besten deutschen Fußballern.

Es ist erstaunlich, wie undifferenziert und populistisch sich einige ehemalige Fußballer mit ihrem vermeintlichen Fachgebiet auseinandersetzen. „Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen“, sagte Uli Hoeneß der „Bild“ in Stammtischmanier über Mesut Özil. „Sportlich hat er nichts in der Nationalmannschaft verloren.“

Genau da irrt sich der streitbare Präsident des FC Bayern München allerdings. Man kann von Özils politischer Naivität und seiner oft lustlos wirkenden Körpersprache halten, was man will. Seine sportlichen Leistungen sprechen aber für sich. Der 29 Jahre alte Profi vom FC Arsenal wird aufgrund seiner introvertierten Art nie ein klassischer Führungsspieler sein und die Weltmeisterschaft war nicht sein bestes Turnier. Beim enttäuschenden Vorrundenaus in Russland gehörte er noch zu den weniger schlechten deutschen Nationalspielern. Özils Problem ist, dass seine zweifelsfrei vorhandenen Qualitäten für den Großteil der Gelegenheitszuschauer kaum zu erkennen sind. Er ist nicht sonderlich schnell, schleicht oft über den Platz und ändert die Statik auf dem Platz mit kleinen, unauffälligen Aktionen.

Statistiken sind im Fußball nicht alles, aber in diesem Fall helfen sie, den sportlichen Stellenwert Özils zu verdeutlichen. In 92 Länderspielen hat er 23 Tore erzielt und damit genauso viele wie Lothar Matthäus, der Özil während der WM ebenfalls kritisierte. Nur dass der einzige deutsche Weltfußballer dafür 58 Spiele mehr brauchte. Özils große Stärke ist jedoch nicht der Abschluss, sondern das Passspiel. Mit 40 Torvorlagen – zwölf davon übrigens in dem Zeitraum seit der WM 2014, im dem er laut Hoeneß nur „Dreck“ gespielt hat – ist er Rekordhalter in der Nationalmannschaft.

Cristiano Ronaldo trauerte Özil nach

Bei der diesjährigen WM gelang Özil zwar weder ein Tor noch ein Assist, in anderen Kategorien wies er aber starke Werte auf. Im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea, in dem die DFB-Elf durch eine 0:2-Niederlage ausschied, spielte Özil nach Toni Kroos die meisten Pässe und gewann für einen Offensivspieler überragende 62 Prozent seiner Zweikämpfe. Zudem bereitete er sieben Torchancen direkt vor, mehr als jeder andere Spieler in 90 Minuten bei dieser Weltmeisterschaft.

Auch die Analysemethode Packing, die erfasst, wie viele Gegner ein Spieler mit einem Pass überspielt, untermauert Özils Qualitäten. Auf seiner Position im zentralen, offensiven Mittelfeld weist er mit 52 überspielten Gegnern pro Spiel den Bestwert auf. Als Passempfänger gehörte er zu den herausragenden Akteuren. Özil bewegt sich zwar meist langsam über den Platz – gegen Südkorea legte er mehr als 90 Prozent seiner Wege mit maximal 15 Stundenkilometern zurück –, hat aber ein exzellentes Gespür für Räume und schafft es immer wieder, sich zwischen gegnerischem Mittelfeld und Abwehr freizuschleichen.

In seiner sportlichen Heimat London nennen sie ihn deshalb und wegen seiner präzisen Pässe „Magier“. In der Premier League hat er schneller als jeder andere Spieler vor ihm die Marke von 50 Torvorlagen erreicht und bei Real Madrid, von wo er 2013 für fast 50 Millionen Euro nach England wechselte, hatte er einen sehr prominenten Fürsprecher: Cristiano Ronaldo. „Ich bin wütend über den Wechsel“, sagte der portugiesische Weltfußballer damals. Einen „Spieler, der den Unterschied macht“, gebe man nicht einfach ab. Ronaldos Ärger war durchaus nachvollziehbar. In drei Jahren legte ihm Özil 27 Treffer auf.

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