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Bella figura. Luca di Montezemolo sonnt sich 1996 auf einem hauseigenen Boliden.

© Imago

Rücktritt von Luca di Montezemolo: Ferrari braucht einen neuen Lenker

Ferraris Präsident Luca di Montezemolo muss wegen Erfolglosigkeit gehen – dem Formel-1-Team droht ein Vakuum an der Spitze.

Gutaussehend, mit der Aura des edlen Aristokraten, eloquent in mehreren Sprachen, so präsentierte sich Luca di Montezemolo gerne bei seinen öffentlichen Auftritten. Ob in den Fahrerlagern und Boxengassen der Formel 1 oder auch auf internationalen Wirtschaftsforen, der Präsident des Sportwagenbauers Ferrari wusste zu beeindrucken. In seiner Heimat kam der Italiener sogar so gut ein, dass er zeitweise als potenzieller Präsidentschaftskandidat gehandelt wurde.

Zuletzt trat der 67-Jährige am vergangenen Samstag in Monza beim Grand Prix von Italien so auf, wie man es von ihm kennt. Selbstbewusst wie immer, fast schon etwas großspurig, erklärte er da sämtliche Rücktrittsgerüchte für Unsinn. Doch es wurde bald klar, dass die Zeit des Sprösslings einer Adelsfamilie bei Ferrari sich tatsächlich dem Ende zuneigt. Fiat-Boss Sergio Marchionne ließ noch während des Rennens am Sonntag bei einem Wirtschaftsmeeting mit Blick auf Montezemolo die Bemerkung fallen: „Wir sind Freunde, aber niemand ist unersetzlich.“ Und der Fiat-Boss legte noch nach: „Ferrari muss nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sportlich erfolgreich sein. Und wir haben seit 2007 nichts gewonnen.“ Ein Ferrari, der irgendwo im Mittelfeld herumfahre, interessiere nicht nur „mich nicht, sondern niemanden“. Am Mittwoch nun folgte die offizielle Bekanntgabe der Entscheidung: Luca di Montezemolo tritt im Oktober nach 23 Jahren an der Spitze von Ferrari zurück, Marchionne übernimmt den Vorsitz bis auf weiteres höchstselbst.

Nach Kimi Räikönen ging es bergab mit Ferrari

Ganz so schlecht sieht die Ferrari-Bilanz der letzten Jahre dabei gar nicht aus. Immerhin kämpfte die Scuderia 2008, 2010 und 2012 jeweils bis zum letzten Rennen um den WM-Titel – Felipe Massa und zweimal Fernando Alonso mussten sich jeweils nur ganz knapp geschlagen geben. Aber für den erfolgreichsten Rennstall der Formel 1 zählen eben nur Titel, auch Montezemolo selbst hatte immer wieder diesen Anspruch ausgegeben.

Schließlich ist auch er selbst erfolgsverwöhnt. In seine erste Zeit bei Ferrari ab 1973 als Rennleiter und dann als Rennsport-Chef von Fiat fielen zwei WM-Titel mit Niki Lauda. Als ihn der damalige Fiat-Chef Gianni Agnelli 1991 – nach einem Zwischenspiel als Chef des Organisationskomitees der Fußball-WM in Italien 1990 – zu Ferrari zurückholte, begann er mit dem kompletten Neuaufbau des Teams, das seit 1979 keinen Titel mehr gewonnen hatte. Der dauerte zwar einige Jahre und wurde erst im Jahr 2000 durch den Gewinn der Fahrer-WM durch Michael Schumacher erfolgreich abgeschlossen. Doch dann folgten bis 2004 vier weitere Titel für Schumacher und danach noch einer 2007 für Kimi Räikkönen.

Seither ging es bergab, und in dieser Saison fährt Ferrari endgültig nur noch hinterher. Das kreidete man in Italien auch dem Chef an. Man warf ihm vor, gerade in den letzten Jahren durch zu viel interne Machtkämpfe Fortschritten eher im Wege gestanden zu haben. Er soll zu sehr auf seinen Starfahrer Fernando Alonso gehört und Personalentscheidungen zu stark von ihm abhängig gemacht habe – unter anderem auch die Absetzung des langjährigen Teamchefs Stefano Domenicali.

Nun muss Montezemolo selbst gehen – doch ob das etwas bringt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die künftige Doppelfunktion von Marchionne dürfte zu einer noch engeren Bindung von Ferrari an den Fiat-Konzern führen. Dass eine solche Konstellation die Entscheidungswege verlängert und Einmischungen des Mutterkonzerns für ein Formel-1-Team meist auch eher hinderlich sind, das ist eine alte Weisheit in der Szene. Gute Beispiele dafür sind Toyota und auch das Mercedes-Team vor der Umstrukturierung. Angeblich gerieten Montezemolo und Marchionne auch genau darüber in Streit.

Außerdem fehlt Ferrari nun schlicht eine Führungsfigur, die aus dem Sport kommt und sich dort auskennt. Das gilt für die Technik genauso wie für die Politik und die oft schwer zu durchschauenden Machtkämpfe zwischen Formel-1-Chef Ecclestone, dem Weltverband Fia und den anderen Teams. Marco Mattiacci wurde erst vor wenigen Monaten als Nachfolger Domenicalis aus den USA geholt. Der neue Teamchef gibt selbst zu, keine Ahnung von der Formel 1 zu haben. Von Ferrari-Mitarbeitern hört man denn auch, dass sich unter ihm vieles eher weiter verschlechtert haben soll. Auch Marchionne fehlen mit ziemlicher Sicherheit die internen Formel-1-Kenntnisse; dazu kommt noch, dass die Beschäftigung mit dem Rennsport bei seinen Gesamtaufgaben wohl kaum sein Schwerpunkt sein wird.

Man bräuchte also dringend einen neuen starken Mann in Maranello. Gerüchten zufolge steht Ferrari mit Ross Brawn in Verhandlungen, der mit den Roten in der goldenen Schumacher-Ära fünf Titel holte. Doch der genießt nach seinem Abgang bei Mercedes Ende 2012 seinen Ruhestand. Und betonte noch vor kurzem, er sehe keinerlei Veranlassung, sich die Formel 1 noch einmal anzutun.

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