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Sport: Ruhig mal abheben

Hertha BSC rückt der Champions League immer näher – und will sie trotzdem nicht als Ziel nennen

Von André Görke

Berlin. Dieter Hoeneß gab vor der Mannschaftskabine seinen ersten Kommentar ab. Der Manager von Hertha BSC sagte, er habe an diesem Sonnabendnachmittag „teilweise Traumfußball“ gesehen. Das waren schöne Worte von Hoeneß. Und nach so viel Pathos des Managers fehlte nur noch der Satz: „Jetzt wollen wir doch noch in die Champions League.“ Aber der Satz kam natürlich nicht.

Es waren wohl eher das Adrenalin und die Emotion so kurz nach dem Spiel, die Hoeneß für kurze Zeit sein vorsichtiges Gemüt vergessen ließen. Denn im Prinzip hatte Hertha am Samstag nur den VfL Bochum besiegt. Mit 1:0. Und doch steht Hertha BSC mal wieder auf einem Platz, der von Traumfußball nicht weit entfernt ist, eben von jener Champions League, von der der Manager weiterhin partout nicht reden will. Hoeneß sagt: „Das haben wir in dieser Saison nie getan. Unser Ziel ist ein internationaler Platz.“

Vielleicht aber wäre es jetzt an der Zeit, etwas offensiver mit diesem Thema umzugehen. Manager Hoeneß ist schließlich nicht nur ein sachlich denkender Mann, er verfügt auch über einige rhetorische Begabung. Der Mann kann sich artikulieren. Warum, so denkt sich mancher Fan in diesen Tagen, gibt der Manager nicht die Champions League als Ziel aus? Drei Punkte Rückstand sind es auf Borussia Dortmund, den Tabellendritten. Dieser Platz berechtigt zur Teilnahme an der Qualifikation zur Traumfußball-Liga. Es sind drei Punkte, bei denen es um die Differenz vieler Millionen Euro geht. Vor drei Jahren hat Hertha in der Champions League mehr als 15 Millionen Euro verdient.

Das müsste mindestens den Spielern Anreiz genug sein. Hoeneß hat vor eineinhalb Wochen gesagt, dass es ihm im Vorfeld des Auswärtsspiels bei Bayer Leverkusen „zu ruhig“ gewesen sei. Die Folge war eine 1:4-Niederlage, die an diesem Wochenende noch etwa mehr wehtat, als die Berliner ansehen mussten, wie stark Bayer Leverkusen eigentlich wirklich ist. Die Rheinländer wurden in Stuttgart vorgeführt und verloren 0:3.

Umgekehrt stellt sich jedoch die Frage, warum die Spieler vor dem Spiel in Leverkusen hätten unruhig sein sollen. Sie waren ja ganz im Soll, auf einem „internationalen Platz“. Einem Platz, mit dem sich Hertha offiziell zufrieden gibt. Hoeneß’ Zurückhaltung lässt sich so erklären: Mit seinen Worten will der Manager der Mannschaft den Druck nehmen, gewinnen zu müssen. Das soll sie entlasten und ihr einen freien Kopf verschaffen. Vielleicht ist es aber auch ein Alibi.

Sechs Spiele sind es noch in der Liga, und wer sich Herthas Restprogramm ansieht, muss nicht vor Angst erstarren. Rostock, Hannover, Wolfsburg sind dabei. Und wenn der FC Bayern drei Wochen vor Saisonende nach Berlin reist, kann Herthas Manager davon ausgehen, dass die Münchner den Titel sicher haben. Hertha kann in den letzten Wochen viele Punkte sammeln.

Dass die Berliner gegen Bochum von der ersten Minute an das Spiel machten und auch nach Dick van Buriks Platzverweis nicht mehr aus der Hand gaben, war überaus positiv. Das, was man vor einer Woche in Leverkusen falsch gemacht hatte, wurde gegen den VfL Bochum etwas besser angegangen. Hertha war aggressiv, kickte mit Leidenschaft und spielte sich gegen einen Gegner, der seine Spieler im Kollektiv vor dem eigenen Tor versammeln ließ, überaus gute Torchancen heraus. Auch das war in der Saison nicht immer so. Dass die Mannschaft vor dem Bochumer Tor kläglich scheiterte und lediglich ein Tor erzielte, wird Herthas Trainer Huub Stevens ausgiebig genug kritisieren.

Und eines wird Stevens klarstellen: Hertha hat den VfL Bochum besiegt, einen Klub, der seit acht Spielen auf einen Sieg wartet und nicht ganz zu Unrecht um den Klassenerhalt kämpft. Ob Hertha mit dieser Leistung in der Champions League mithalten würde, ist eine andere Frage. Denn Traumfußball hat Hertha in den letzten Wochen zu selten gezeigt: gegen den FC Schalke 04, als Hertha BSC 4:2 gewann. Das war ein Maßstab für die Champions League, für Traumfußball. Das Spiel gegen Bochum eher nicht.

Am Ende der Saison sollte mindestens einer nicht Recht behalten, der sich zu Hertha äußerte. Bei Hertha ist „die Entwicklung stehen geblieben“. Findet Lothar Matthäus.

André Görke

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