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Fußball unter Palmen. Wie auf dieser Computeranimation könnte eine Weltmeisterschaft in Katar aussehen.

© dpa

Russland und Katar: Was die jüngsten WM-Vergaben mit Blatters Wahl zu tun haben

Nach den umstrittenen Entscheidungen zu den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 stehen die Sieger in der Kritik. Die Verlierer greifen die Fifa an.

Berlin - Joachim Löw ist Bundestrainer, er ist quasi sportlicher Repräsentant der Fußball-Nation Deutschland, er darf nicht einfach behaupten, die Vergabe einer Weltmeisterschaft nach Katar sei ein Skandal. Er muss sagen: „Es ist eine im Moment unglaublich mutige Entscheidung. Ich hätte gedacht, dass Bewerber mit Fußballtradition den Zuschlag bekommen.“ Louis van Gaal hat es besser, er ist bloß Trainer von Bayern München, er muss nicht so viel Rücksicht nehmen. Er darf verkünden: „Die Wahl von Katar ist unglaublich. Der Fußball müsste immer an erster Stelle stehen.“

Theoretisch ist das natürlich richtig. In der Praxis aber steht anderes an erster Stelle. Es geht um Geld, um Macht, um Abhängigkeiten. Oder, wie es die „La Gazzetta dello Sport“ in Italien schreibt: „Es geht ums Geschäft – mehr oder weniger schmutzig. Es geht um Blatter, der immer gewinnt, während der jüngste von vielen Skandalen einfach an ihm abperlt.“ Katar investiert enorme Summen in die WM, und die kommen wie selbstverständlich dem Fußball-Weltverband Fifa mit ihrem Präsidenten Joseph Blatter zugute. Jede WM ist für die Fifa ein Riesengeschäft, während der Ausrichter, zuletzt Südafrika, auf großen Verlusten sitzen bleibt.

Aber bei der Wahl des Wüstenstaats ging es wohl auch um klassische Machtfragen. Denn Blatter will 2011 zum vierten Mal zum Fifa-Präsidenten gewählt werden, und er stand beim Emir von Katar wohl im Wort. Der Emir hatte Blatter beigestanden, als der Schweizer 2002 um seine Wiederwahl bangen musste. Der Herrscher über den Wüstenstaat half mit üppigen Schecks kräftig mit, dass Blatter die Stimmen von armen afrikanischen und asiatischen Ländern erhielt. Wochenlang reiste Mohammed Bin Hammam, Exekutivmitglied aus Katar, mit Blatter zu diesen Fußball-Entwicklungsländern.

So etwas läuft natürlich nicht ohne Gedanken an Gegenleistung. Katar bemüht sich seit Jahren, eine Sportveranstaltung nach der anderen, je hochkarätiger umso besser, ins Land zu holen. Und jetzt war es wohl an der Zeit, die alte Rechnung zu begleichen. Und der Lohn war wohl der Zuschlag für die WM 2022. Auch der Zuschlag für Russland dürfte Blatter wertvolle Stimmen für die Wiederwahl 2011 gesichert haben. Russland dürfte seinen Einfluss auf andere Nationen geltend machen, Ministerpräsident Wladimir Putin gilt als besonders einflussreich in der Sportpolitik. Im Eiltempo war Putin nach Zürich geflogen und erklärte vielsagend: „Herr Blatter hat besonderes Interesse an Russland gezeigt.“

Außerhalb Russlands und Katars herrscht Ratlosigkeit und Empörung. Die Schweizer Zeitung „Blick“ fragte: „Katar? Das ist ein Kulturschock sondergleichen.“ Das norwegische „Dagbladet“ bezeichnete Katars Wahl als „größten Fußballwitz aller Zeiten“.

Aber vielleicht wird die Entscheidung ja noch gekippt, vielleicht verhindern umstrittene Funktionäre diese Wahl noch im Nachhinein. Denn die Exekutivmitglieder Reynald Temarii (Tahiti) und Amos Adamu (Nigeria) durften nicht mitstimmen. Sie wurden suspendiert, weil sie verdeckt recherchierenden Repotern ihre Wahlstimme zum Kauf angeboten hatten. Temarii will gegen seine Suspendierung aber vor dem Sportgerichtshof Cas klagen. Bekommt er Recht, wird’s spannend. Dann könnte die Wahl für ungültig erklärt werden. Laut Satzung hätten ohnehin 24 Exekutivmitglieder abstimmen müssen, es waren aufgrund der Suspendierungen nur 22.

Bundestrainer Löw beschäftigt ein anderer Punkt. Was die Fifa-Funktionäre dazu getrieben habe, Katar auszuwählen, „dafür fehlen mir im Moment die Hintergründe“. Er wird bestimmt einen Experten für Sportpolitik finden, der sie ihm erklärt.(mit dpa)

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