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Ortsübliche Folklore. Europas Kapitän Padraig Harrington (Mitte) mit seinen Spielern Shane Lowry (l.), Tyrrell Hatton, Jon Rahm und Sergio Garcia in Wisconsin.

© A. Redington/AFP

Ryder Cup im Golf: „Der Zusammenhalt der Europäer ist einfach größer“

Spielermanager und Kommentator Irek Myskow über die europäische Stärke im Ryder Cup, Martin Kaymers Rolle im Team und die deutsche Golf-Skepsis.

Herr Myskow, an diesem Freitag beginnt in Wisconsin der Ryder Cup. Warum ist dieser Wettbewerb zwischen Profis aus den USA und Europa populärer als jedes andere Golfturnier der Welt?
Ich denke aus zwei Gründen: Es ist zunächst einmal ein Mannschaftswettbewerb, diesen Genuss haben die Golfprofis ja eher selten. Dazu kommt auch eine ganze Portion Stolz, für das eigene Land oder den Kontinent zu spielen. So was kennen die Spieler in dem Ausmaß ja sonst nicht. Und was den Ryder Cup so speziell macht, sind die Emotionen. Nicht nur der Spieler, sondern vor allen Dingen der Zuschauer. Was da abgeht, das gibt es sonst nur beim Fußball in der Fankurve. Das ist schon das ganz große Kino.

Sie selbst betreuen in Paul Casey und Sergio Garcia zwei Spieler aus dem europäischen Team mit Ihrer Management-Agentur. Dazu kommt noch Europas Vizekapitän Luke Donald. Spüren Sie bei den Sportlern eine besondere Anspannung vor so einem Ryder Cup?
Für die Spieler ist dort alles sehr durchgetaktet. Sie haben keine Ruhe, da auch mal was anderes zu machen. Man widmet sich der Mannschaft und ansonsten wird die Luft dünn. Es ist ein sehr intensives Programm. Paul Casey sagte mir am Mittwoch, dass er es jetzt schon in den Knochen spüren würde.

Garcia ist nach Punkten gesehen der erfolgreichste Spieler in der europäischen Ryder-Cup-Geschichte. Warum läuft er wie zuletzt viele andere Spieler aus Europa gerade bei diesem Wettbewerb so oft zur Höchstform auf?
Das ist einfach die Freude an diesem Teamwettbewerb, weil man eben nicht für sich spielt, sondern für die anderen. Rory McIlroy hat es sehr gut auf den Punkt gebracht, als er sagte: Wir spielen füreinander als Mannschaft.

Aber tun das die Amerikaner nicht auch?
Ja, aber die sind nicht so eng.

Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
Ich glaube, dass die Struktur auf der europäischen Tour mannschaftsdienlicher ist. Ein Beispiel: Wenn in den USA ein Turnier stattfindet, bekommen die 156 Profis am Flughafen ein Auto gestellt und fahren damit in ihr eigenes Hotel. Dann spielen sie ihr Turnier und haben eine schöne Woche. Sie sind im wahrsten Wortsinne Individualisten und machen ihr Ding. Die European Tour ist anders gestrickt. Da gibt es zum Beispiel ein offizielles Spielerhotel und wenn die Profis am Turnierort ankommen, gibt es oftmals Busse – jetzt vielleicht nicht in Corona-Zeiten, aber vorher schon. Und so begegnet man sich eben viel öfter, ob in der Lobby oder am Abend beim Essen im Hotel. So wachsen über Jahre Freundschaften, man verschmilzt auf der European Tour mehr. Der Zusammenhalt ist einfach größer als bei den Amerikanern.

Aber Rory McIlroy und Sergio Garcia spielen doch selbst überwiegend in den USA.
Die legen doch aber ihre DNA nicht ab, nur weil sie in New York oder Florida wohnen. Am Ende des Tages sind sie Ire oder Spanier.

Trotzdem ist es erstaunlich, dass ein Team von Europäern – also von Spielern aus unterschiedlichen Nationen – einen größeren Zusammenhalt entwickeln kann als zwölf US-Amerikaner.
Für mich ist es das aus den schon genannten Gründen nicht. Die Europäer lernen diesen Zusammenhalt gleich zu Beginn ihrer Karrieren, die unternehmen auch was zusammen. Wie oft ist ein Sergio Garcia schon mit einem Kollegen Tennisspielen gegangen. Und das ist nur ein Beispiel.

Die Europäer haben auch deswegen neun der vergangenen zwölf Ryder Cups gewonnen, obwohl sie dabei längst nicht immer Favorit waren. Auch diesmal, auf dem Whistling Straits Golf Course, wäre alles andere als ein US-Sieg eine Überraschung.
Die Analysten unter uns werden sagen, dass das nur logisch wäre. Europa hat Jon Rahm als Nummer eins der Weltrangliste und das war’s. Dahinter sind acht Amerikaner in den Top Ten. Das sagt eigentlich schon alles. Aber ich zitiere gern Bernhard Langer aus seiner Zeit als Teamkapitän: Gottseidank spielen wie auf dem Rasen und nicht auf dem Papier.

Es fällt auf, dass das europäische Team sehr erfahren ist mit gleich vier Spielern über 40 im Team. Gibt es keine jungen Spieler mehr, die in die Weltspitze drängen?
Ich würde das nicht so unterschreiben, denken wir an Viktor Hovland. Und neben ihm gibt es noch viele andere, durchaus tolle junge Gesichter im europäischen Golfsport. Deutschlands Matthias Schmid zum Beispiel. Wenn der nicht alles falsch macht, wird er eine große Zukunft haben. Und beim Ryder Cup vier alte Hasen im Team zu haben, finde ich gut und sehe es auch als Vorteil an. Denn sie wissen, was sie tun und können in vielen Aspekten die Jungen unterstützen.

Irek Myskow, 52, ist in Danzig geboren und in Deutschland aufgewachsen. Heute lebt er in St. Gallen und ist Spielermanager. Für den Fernsehsender Sky ist er als Golf-Kommentator tätig.
Irek Myskow, 52, ist in Danzig geboren und in Deutschland aufgewachsen. Heute lebt er in St. Gallen und ist Spielermanager. Für den Fernsehsender Sky ist er als Golf-Kommentator tätig.

© promo

Sie haben lange in den USA gelebt und gearbeitet, welchen Stellenwert hat der Ryder Cup dort?
Der war tatsächlich eine Zeitlang nicht so groß. Man konnte fast den Eindruck bekommen, die verlieren so ein bisschen die Lust, weil sie immer den Hintern versohlt bekommen von den Europäern. Aber ich glaube, dass sich das Blatt wieder gewendet hat. Wir hatten die Corona-Pandemie. Da wurde zwischenzeitlich gar kein Golf gespielt, der Ryder Cup um ein Jahr verschoben. Auch deswegen ist das Interesse in den USA jetzt wieder gigantisch. Wie groß der Enthusiasmus ist, zeigt allein die Tatsache, dass in Whistling Straits schon bei den Proberunden die Tribünen komplett voll waren. Das muss man sich mal vorstellen.

Deutschland ist beim Ryder Cup auch vertreten. Martin Kaymer hat sich zwar nicht als Spieler qualifizieren können, ist aber als Vizekapitän für Europa am Start. Welche Aufgabe kommt ihm zu?
Er ist jetzt in einem Alter, wo er anderen Spielern Tipps geben kann. Aber es geht nicht nur um Ratschläge, sondern um die Präsenz. Wenn da einer ist, der schon zwei Majors gewonnen hat und eines davon, auf dem Golfplatz, auf dem jetzt der Ryder Cup stattfindet, dann ist das schon was. Und man darf ja nicht vergessen, dass sich die Spieler beinahe an jeden einzelnen Schlag ihrer Karriere zurückerinnern können. Kaymer kann Ruhe reinbringen oder auch mal mit dem Österreicher Bernd Wiesberger auf Deutsch reden. So ein Vizekapitän ist ganz sicher nicht nur ein Wasserträger.

Glauben Sie, dass Kaymer noch einmal zu alter Stärke zurückfindet und wieder ein Anwärter auf Siege bei den Majors und damit auch für das Ryder-Cup-Team werden kann?
Absolut. Das gibt der Golfsport her. Die Liste derer, die ein Comeback geschafft haben, ist lang. Lee Westwood ist ein Beispiel dafür, Sergio Garcia war auch schon mal jenseits der 80 in der Weltrangliste. Und Martin ist für Golfverhältnisse ja noch ein sehr junger Spieler, deswegen mache ich mir da gar keinen Kopf.

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In zwei Jahren findet der Ryder Cup wieder in Europa statt, dann in Italien vor den Toren von Rom. Auch Deutschland hatte sich mit Bad Saarow für die nächste Austragung beworben, bekam aber nicht den Zuschlag. War Geld dafür der ausschlaggebende Grund?
Wir wissen alle, dass der Ryder Cup, wenn er in Europa stattfindet, die European Tour finanziert. Dass deswegen ein großes Interesse daran besteht, möglichst viel Geld in die Kassen zu spülen, ist natürlich klar. Ich glaube, dass die deutsche Bewerbung aber vor allem an der fehlenden politischen Unterstützung gescheitert ist. Ich würde sogar behaupten, dass der Golfsport auf der politischen Ebene in Deutschland nicht stattfindet und auch nicht gern gesehen wird.

Warum hält sich die Golf-Skepsis in Deutschland so hartnäckig? Braucht es mehr Erfolge deutscher Spieler, um das zu ändern?
Glaube ich nicht. Selbst wenn wir zehn Kaymers hätten, wären wir noch ganz weit von einem Golfboom entfernt.

Frühestens 2031 könnte der Ryder Cup jetzt erst in Deutschland stattfinden. Sofern es überhaupt eine Bewerbung gibt. Sollte Bad Saarow wegen der Nähe zu Berlin wieder ins Rennen geschickt werden?
Mir ist egal, wo wir ihn spielen. Hauptsache wir spielen ihn. Es ist wichtig, dass etwas für den Golfsport getan wird, damit er in Deutschland ein anderes Gesicht bekommt.

Im Fernsehsender Sky kommentieren Sie von diesem Freitag an bis Sonntag den Ryder Cup. Ist der Wettbewerb auch für Sie als Kommentator emotionaler als jedes andere Turnier?
Ich bin da total emotionsgeladen, sitze da auch meist nicht mehr, sondern stehe in der Kabine. Wenn man den Sport liebt, kann man da ja nicht ruhig und entspannt bleiben. Und ich versuche auch gar nicht zu verheimlichen, dass ich für Europa bin.

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