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Schwere Beine. Sabine Lisicki gab bei Ihrer Niederlage nicht das athletischste Bild ab.

© dpa

Sabine Lisicki und die Hitze: Chance versengt

Tennisspielerin Sabine Lisicki scheitert bei den Australian Open in Melbourne nicht nur an der Hitze, sondern auch an ihrem fehlenden Willen.

Martina Hingis versuchte am Ende noch einmal alles. Die Schweizerin gestikulierte mit vollem Einsatz von der Tribüne aus und rief unermüdlich aufmunternde Parolen hinunter auf den Platz. Alles in der Hoffnung, sie könnte die drohende Niederlage ihres Schützlings Sabine Lisicki noch irgendwie abwenden. Oliver Pocher dagegen, der neben Hingis in der Margaret Court Arena saß, war das Lächeln längst vergangen. Und wann hatte man das bei diesem Comedian schon erlebt? Lisickis Freund schien nicht mehr daran zu glauben, dass sie die Zweitrundenpartie bei den Australian Open noch gewinnen würde. So kam es dann auch – nach genau zwei Stunden war es vorbei. Lisicki unterlag der Rumänin Monica Niculescu mit 6:2, 2:6 und 2:6. Wieder einmal war die Berlinerin, die derzeit auf Platz 15 der Weltrangliste steht, mit großen Erwartungen bei einem Grand-Slam-Turnier gestartet und doch vorzeitig gescheitert. „Ich weiß, ich hätte gewinnen können“, sagte Lisicki später, aber dafür muss man zwei Sätze gewinnen.“

Dass ihr das gegen eine Spielerin, die gut 50 Plätze hinter ihr rangiert und die ungewöhnlicherweise sowohl die Vor- als auch die Rückhand mit viel Unterschnitt spielt, nicht gelungen war, hatte für Lisicki nur einen Grund: die unmenschliche Hitze in Melbourne. Knapp unter 40 Grad waren es gestern Vormittag wieder im Süden des australischen Bundesstaates Victoria und damit eindeutig zu viel für Lisicki. „Irgendwann wird es zu heiß für Leistungssport“, monierte sie: „Die Schiedsrichter übernehmen die Entscheidung, ob bei dieser Hitze gespielt werden kann. Ich kann nur sagen, was jeder sieht: Spieler und Ballkinder übergeben sich und kollabieren.“

Tatsächlich hatte sich die extreme Hitze seit Dienstag wie eine schwere Glocke über den Melbourne Park gestülpt, unter der Spieler und Zuschauer gleichermaßen ächzen. Insgesamt war es jedoch eine wenig besorgniserregende Bilanz der Hitzewelle, die noch bis Freitag andauern soll: Ein Spieler war während seiner Partie kurzzeitig kollabiert, konnte aber weiterspielen. Eine Akteurin übergab sich, ein Ballkind kippte um. Die Spieler quälten sich schweißnass durch ihre Matches, der heißen Temperaturen wegen gab aber niemand auf.

Da es nicht luftfeucht war, wurde der sogenannte WBGT-Faktor nicht erreicht, durch den die „Extreme Heat Policy“ sonst gegriffen hätte. Der Spielbetrieb wäre ausgesetzt oder unter den geschlossenen Arena-Dächern fortgesetzt worden. Die Organisatoren wie auch Turnierarzt Tim Wood befanden die Bedingungen jedoch als unbedenklich. Lisicki sah das anders. „Jeder reagiert anders auf Hitze“, betonte die 24-Jährige, „und bei mir wurden meine Beine schwer und gehorchten nicht mehr.“

Die Hitze war jedoch nur ein Faktor für das frühe Aus der zweitbesten Deutschen. Niculescu ist eine durchschnittliche Akteurin, die nur mit Slice arbeitet und selbst wenig zum Spielaufbau beiträgt. Gegen eine wie die Rumänin muss man mehr arbeiten, und vor allem immer tief in den Knien sein. Das erfordert Fitness und Beharrlichkeit. Man musste gestern daran zweifeln, ob beides bei Lisicki ausreichend vorhanden ist. Florian Mayer hatte sich dagegen bei noch ein paar Grad mehr drei Stunden lang und in fünf Sätzen gegen Michail Juschni durchgekämpft. Danach betonte der 30-Jährige: „Bei solchen Bedingungen ist nicht nur die körperliche Fitness wichtig – vor allem sind es die Bereitschaft und der Wille weiterzumachen, obwohl es die Hölle ist.“ Lisicki wird oft nachgesagt, dass ihr diese Bereitschaft mitunter fehle. Sie hatte Niculescu zu Beginn im Griff gehabt, die es im ersten Satz auf nur einen einzigen Winner brachte. Bei Lisicki waren es schon 18. Am Ende waren es sogar 43 im Gegensatz zu Niculescus acht Gewinnschlägen. Dafür hatte die Berlinerin aber auch 56 leichte Fehler angehäuft. Im zweiten Satz verlor Lisicki den Faden und fand ihn nicht wieder.

Unterm Strich bleibt es eine Enttäuschung. Denn abseits von Wimbledon, wo sie neben dem letztjährigen Endspiel zweimal das Viertel- und einmal das Halbfinale erreichte, konnte sie bei keinem anderen Grand Slam bisher überzeugen. Bei den US Open im Herbst war zuletzt in Runde drei Schluss. Ihr Anspruch indes ist ein anderer. Vielleicht kann Hingis Lisicki nun Beine machen, die in Melbourne mehr als eine Art Freundschaftsdienst mit ihr gearbeitet hatte. „Martina hat mir sehr geholfen, und wir hatten viel Spaß“, sagte Lisicki, die gerne mit ihrem Kindheitsidol weiterarbeiten würde: „Wir werden in den nächsten Tagen besprechen, wie es weitergeht.“ Aufwärts, wird Lisicki hoffen.

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