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Sport: Sag mir, wo du stehst

Klaus Steinbach will, dass das Nationale Olympische Komitee nach Berlin umzieht – doch nun könnte die Abstimmung darüber ausfallen

Berlin. Es ist ein ungleicher Kampf. Klaus Schormann ist 1,70 Meter groß, Klaus Steinbach 1,92 Meter. „Mich kriegt keiner klein“, sagt Schormann. Steinbach lacht nur, wenn er solche Sätze hört.

Klaus Schormann sitzt in einer Bar über den Dächern Berlins und schaut hinunter auf die Lichter der Hauptstadt. „Das Nationale Olympische Komitee gehört nach Frankfurt am Main und nicht hierher“, sagt Schormann und richtet seine Schultern auf. Der Sportpolitiker ist selbstbewusst. Er ist Chef des nationalen Verbands der Modernen Fünfkämpfer, sogar Präsident des Weltverbands. Er hat genug Kontakte, um einem Mann wie Steinbach Probleme zu machen.

Klaus Steinbach sitzt in einem Luxushotel in Berlin. „Es ist sinnvoll, wenn der deutsche Sport in der Hauptstadt vertreten ist“, sagt Steinbach und streckt seine Beine von sich. Der Sportpolitiker fühlt sich wohl in Berlin. Er ist Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), seit genau einem Jahr. Er hat Macht und gute Kontakte zur Bundesregierung. Doch reicht all das aus, um seinen Sportverband zum Umzug in die Hauptstadt zu bewegen? Muss Steinbach am kommenden Wochenende bei der Abstimmung der NOK-Mitglieder in Leipzig eine Niederlage hinnehmen, die seine Machtposition beschädigt? Oder findet er in letzter Minute noch einen Kompromiss, der seinen Verband vor einer öffentlichen Zerreißprobe bewahrt? Steinbach sagt: „Ich sehe die Sache sportlich.“ Doch der Umzug ist mehr als Sport: ein Politikum.

Wie konnte es dazu kommen? Der Berliner Senat hatte dem NOK im Spätsommer ein lukratives Angebot gemacht. Eine Immobilie im Stadtzentrum bot der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) den Sportlern an, dazu 30 Jahre Mietfreiheit und einen Zuschuss von 100 000 Euro. Doch nachdem der Tagesspiegel die Offerte, die vom Senat und von den Berliner Regierungsfraktionen SPD und PDS gebilligt wurde, im September öffentlich gemacht hatte, wuchs der Widerstand. In Hessen. Und im Sport.

Zuerst machte die hessische Landesregierung Druck. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sprach von einem „unseriösen Lockangebot“, gleichzeitig warb die Stadt Frankfurt am Main mit einem eigenen Angebot, um den Verband zu halten. Details sind noch nicht bekannt, doch Steinbach bezeichnet die neue Offerte bereits als „ebenfalls ernst zu nehmend“. Die Frankfurter wollen Anfang kommender Woche ihre Finanzzusagen schriftlich vorlegen. Danach könnte die für Samstag geplante Abstimmung der NOK-Mitglieder wieder in Frage gestellt werden; denn am Tag zuvor tagt das NOK-Präsidium und bestimmt die Tagesordnung. „Unser Präsidium kann natürlich die Abstimmung von der Tagesordnung nehmen“, sagte Steinbach am Samstag. Für den NOK-Präsidenten hätte das zwei Vorteile. Er hätte mit der Umzugsdebatte öffentliches Geld für seinen Verband eingeworben. Und er hätte sich selbst vor dem Risiko einer Niederlage bewahrt.

Noch ist offen, ob es tatsächlich so kommt. Berlin müht sich weiter um den Verband. In dieser Woche organisierte Sportsenator Klaus Böger (SPD) für das NOK eine Besichtigung des angebotenen Domizils in der Wilhelmstraße. „Wir sind dem NOK sehr weit entgegengekommen“, berichtet Böger. Einen Standortwettbewerb mit den Frankfurtern will er nicht mitmachen. „Ein Feilschen wie auf dem Basar ist unwürdig.“

Auch in den Sportverbänden gibt es durchaus wichtige Befürworter. Der einflussreiche Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, ist ebenso für den Wechsel wie der Chef der deutschen Leichtathleten, Clemens Prokop. „Ein Umzug bietet sportpolitisch viele Chancen“, sagt Prokop. Damit könne sich der olympische Verband vom übermächtigen Deutschen Sportbund lösen, mit dem er derzeit in Frankfurt am Main in einem Haus residiert. Prokop meint: „Das NOK sollte eine klare Führungsrolle im Spitzensport übernehmen, während sich der Sportbund um den Breitensport kümmert.“ Genau das will der intrigenfeste Sportbund-Chef Manfred von Richthofen verhindern. Deshalb droht er unverhohlen: „Wenn Herr Steinbach tatsächlich diese Abstimmung durchsetzt und dann verliert, dann wackelt natürlich sein Stuhl.“

Längst ist der Umzug mehr als eine sportliche Angelegenheit. Längst geht es auch um die Macht. Funktionäre stellen Fragen: Wie stark ist Klaus Steinbach wirklich? Wie eigenständig darf das NOK die Linien der Sportpolitik bestimmen? Gibt es eine Spaltung des deutschen Sports oder endlich eine klare Aufgabenteilung?

Klaus Steinbach sitzt im Hotel und zieht die Beine an. Er sagt: „Ich bin mir der Tragweite der Debatte bewusst – auch was meine Person betrifft.“

Klaus Schormann, der Fünfkampf-Präsident, der den internen Widerstand gegen den Umzug koordiniert hat und der im Übrigen als Lehrer vom Land Hessen bezahlt wird, schaut noch einmal auf die Lichter der Hauptstadt. Er sagt: „Wenn wirklich über den Umzug abgestimmt wird, dann geht es ums Ganze.“ Und dann redet Schormann von der Einheit des deutschen Sports und davon, dass das Nationale Olympische Komitee „mit der Leipziger Olympiabewerbung eigentlich genug zu tun hat“. Inzwischen wird kein Argument mehr ausgelassen im Machtkampf der Sportpolitiker.

Klaus Schormann ist 1,70 Meter groß, Klaus Steinbach 1,92 Meter. Am Samstag sah es so aus, als sollte der kleine Funktionär den großen Präsidenten zum Einlenken bewegen. Doch für das ungleiche Duell um den Umzug des NOK bleibt noch eine Woche Zeit. Und danach gibt es sicher viele andere Themen, über die man sich streiten kann.

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