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Echte Überzeugung sieht anders aus. Salihamidzic und Kovac haben einen komplizierten Sommer hinter sich.

© AFP

FC Bayern in der Bundesliga-Vorschau: Warum der Deutsche Meister diesmal nicht der Favorit ist

Die weitgehend verkorkste Transferpolitik der Münchner belastet die Aussichten für die Saison schwer. Dahinter steckt ein grundsätzliches Problem.

An diesem Freitag startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Heute Teil 18: Bayern München.

Was hat sich verbessert?
Gute Frage, nächste Frage.
Wer sind die Neuen?
Wenn Sie wüssten, wen wir schon alles sicher haben … Der Satz von Uli Hoeneß aus dem Februar gehört schon jetzt zum Zitatenschatz des deutschen Fußballs, so wie Christoph Daums „Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe“ oder Franz Beckenbauers Prophezeiung zur Unbezwingbarkeit des deutschen Fußballs nach dem WM-Titel 1990.

Weil sich die Realität leider nicht immer an die Aussagen der großen und wichtigen Männer im Fußball hält, müsste die aktualisierte Version von Hoeneß‘ Ausspruch korrekterweise lauten: Wenn Sie wüssten, wen wir gerne geholt hätten, aber leider nicht bekommen haben, weil der FC Bayern eben doch nicht mehr zu den ganz großen Nummern im europäischen Fußball zählt.

Zu Beginn der Woche, in der die Bundesliga in ihre Saison startet, hatten die Bayern einen Innenverteidiger vom Absteiger VfB Stuttgart geholt, der in der vergangenen Spielzeit mit seiner Mannschaft 70 Gegentore kassiert hat (Benjamin Pavard), einen weiteren Innenverteidiger, der wegen einer Verletzung die komplette Vorbereitung verpasst hat (Lucas Hernandez) und einen 19 Jahre alten Stürmer (Fiete Arp), der zuletzt beim Hamburger SV in der Zweiten Liga gespielt hat beziehungsweise selbst beim Hamburger SV in der Zweiten Liga kaum gespielt hat (vier Startelfeinsätze).

Dass das ein bisschen wenig sein könnte für a) die Ambitionen der Bayern und b) drei Wettbewerbe, ist dem Klub inzwischen auch aufgegangen. Der Kroate Ivan Perisic, 30, wurde für ein Jahr ausgeliehen, sein Landmann Mario Mandzukic, 33, könnte noch folgen, und auch Philippe Coutinho, 27, vom FC Barcelona wird von den Münchnern heftigst umgarnt. Nach einer stringenten Transferphilosophie und einer durchdachten Planung klingt das eher nicht.

Wer hat das Sagen?
Spannender ist eigentlich, wer nichts zu sagen hat. Da wäre zum einen Trainer Niko Kovac, der bei den Bayern eher geduldet wird als wirklich geschätzt. Vor einem Monat soll der Berliner Kroate seinen Landsmann Ivan Perisic als möglichen Neuzugang ins Spiel gebracht haben. Nicht gut genug für die Bayern, lautete die Reaktion. Es ist kaum hoch genug einzuschätzen, wie Kovac die latenten Demütigungen vor allem seines Chefs Karl-Heinz Rummenigge stoisch erträgt.

Er kontert die Spannung im Verein mit einer souveränen Gelassenheit, wirkt nahbar und umgänglich, was bei einem Global Player wie den Bayern nicht selbstverständlich ist. Von Kovac könnte sich auch Hasan Salihamidzic noch einiges abschauen – wobei der Bosnier noch deutlich mehr zu leiden hat. Spätestens diese Transferperiode hat gezeigt, dass Salihamidzic als Sportdirektor eine Fehlbesetzung ist. Die Personalpolitik trägt seine Handschrift. Es ist eine ziemliche Sauklaue. Aber Salihamidzic ist nur das Symptom.

Das eigentliche Problem ist, dass Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, die beiden größten Alphatiere des deutschen Fußballs, keinen starken Mann zwischen sich ertragen können und sich auch nichts mehr zu sagen haben. Mehr noch: Sie stehen inzwischen für zwei unterschiedliche Denkschulen, die sich nur schwer in Einklang bringen lassen. Es geht überspitzt formuliert um die Frage: Schwabing oder Schanghai?

Während Bauchmensch Hoeneß für die regionale Verankerung der Bayern steht, will der kühle Visionär Rummenigge hinaus in die große weite Welt. Selbst der Bayern-Blog „Mia san rot“ sieht den Klub „nach außen zerrissen und uneinheitlich“ und „auf einem gefährlichen Weg“.

Was erwarten die Fans?
Die normalen Bayern-Fans aus Neheim-Hüsten, Thalkirchen oder Schanghai, erfolgsverwöhnt und an komplizierten Hintergründen eher uninteressiert, erwarten natürlich das Triple. Was sonst? Die eher kritischen Geister hingegen blicken weniger auf die Zahl der Trophäen, die am Ende der Saison in den Vitrinen an der Säbener Straße landen werden.

Sie hoffen nach den Erfahrungen aus der aktuellen Transferperiode eher auf die Einsicht der Klubführung, dass der Umbruch mit Blick auf die Saison 2020/21 schon jetzt entschlossen angegangen werden muss – und nicht erst Anfang August 2020. Eigentlich wäre dieser Umbruch schon vor einem Jahr fällig gewesen, spätestens aber in diesem Sommer. Doch die Bayern konnten sich lediglich dazu durchringen, sehr alte Spieler (Robben, Ribéry) durch ziemlich alte Spieler (Perisic, Mandzukic) zu ersetzen.

Was ist in dieser Saison möglich?
„Wir wollen beide Titel verteidigen und in der Champions League mehr erreichen als im vergangenen Jahr“, sagt Trainer Kovac. Unmöglich ist das nicht, was auch daran liegt, dass schon der Einzug ins Viertelfinale der Champions League mehr wäre als im vergangenen Jahr. Für noch mehr fehlt einem aktuell allerdings die Fantasie.

National sieht das anders aus. Die potenziell erste Elf der Bayern ist vermutlich immer noch die stärkste in ganz Deutschland. Aber wer kommt schon mit elf Spielern durch eine Saison mit drei Wettbewerben? Und so starten die Bayern zum ersten Mal seit einer Ewigkeit nicht als gefühlter Favorit in die neue Saison.

Und sonst?
Die Nachricht, dass Uli Hoeneß als Präsident aufhören will, hat die Bayern-Fans weltweit und knapp 300.000 Mitglieder in Wallung versetzt. Und was macht man in einem solchen Fall? Man startet eine Online-Petition. „Mia san Uli – Uli Hoeneß muss bleiben“ läuft seit drei Wochen. Unterschrieben wurde die Petition (Stand: 15. 8., 23 Uhr) genau 6.376-Mal.

Bisher erschienen: 1. FC Union Berlin, Hertha BSC, SC Paderborn, 1. FC Köln, FC Augsburg, Schalke 04, SC Freiburg, 1. FSV Mainz 05, Fortuna Düsseldorf, TSG Hoffenheim, Eintracht Frankfurt, VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach, Werder Bremen, Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund.

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