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Glitzernde Fassade. Hier gibt Sascha Rabe (mit Tanja Kolbe) den anmutigen Eistänzer. In Wirklichkeit litt er unter dem Gefühl, sexuell belästigt worden zu sein.

© dpa

Sascha Rabe: Niederlage eines Traumatisierten

Eistänzer Sascha Rabe wollte Schmerzensgeld wegen sexueller Belästigung. Doch seine Klage wurde abgewiesen. Sportdirektor Dönsdorf ist trotz dieses Urteils irreparabel beschädigt.

Berlin - Richter Axel Haeusermann kam im Saal E 204 schnell zur Sache, es war ja auch nicht schwierig. Er musste gestern ja nur das Urteil im Fall Rabe/Dönsdorf verkünden. Und das Landgericht Berlin am Tegeler Weg teilte mit: Die Klage des Berliner Eistänzers Sascha Rabe auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen sexueller Belästigung wird abgewiesen. Udo Dönsdorf, der Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union (DEU) muss nicht bezahlen. Jedenfalls nicht in erster Instanz. Rabes Anwältin Karla Vogt-Röller hat noch die Möglichkeit, vor dem Kammergericht in Berufung zu gehen.

Haeusermann gab nur eine kurze Begründung für das Urteil ab. „Der Kläger“ – also Rabe – „mag traumatische Erlebnisse gehabt haben, dennoch wurde in diesem Fall kein Rechtsgut verletzt.“ Den Klagewert setzte das Gericht auf 19 000 Euro fest. Eine ausführliche Begründung wollte der Richter nicht geben, weil zuerst die Anwälte informiert werden sollen. Zudem werde in der Begründung auf Details eingegangen, die in einer nichtöffentlichen Sitzung angesprochen worden seien. Von Dönsdorfs Anwalt Alexander Stollberg-Stolberg war gestern keine Stellungnahme zu erhalten, er war auch nicht bei der Urteilsverkündung. Rabes Anwältin Karla Vogt-Röller erklärte: „Das Problem bei diesem Verfahren war der Umstand, dass Sascha Rabe alles beweisen musste. Und die unbestreitbaren Indizien haben dem Gericht nicht als Beweis gereicht.“ Für das Gericht sei die Wahrheitsfindung schwierig gewesen, weil es außer Rabe und Dönsdorf bei dem Vorfall keine weiteren anwesenden Zeugen gab. Die Berliner Anwältin – ganz Juristin – sagte auch: „Das Gericht musste den Vorfall nicht menschlich abhandeln, sondern juristisch. Und in einem Rechtsstaat muss man einen Menschen auch schützen.“ Ob sie Berufung einlegen werde, will sie noch überlegen. Erst müsse sie die Urteilsbegründung lesen.

Es ist denkbar, dass der Alkoholkonsum von Dönsdorf und Rabe bei der Urteilsfindung eine Rolle spielte. Erstens schränkt Alkohol das Erinnerungsvermögen ein, zweitens senkt es die Steuerungsfähigkeit und senkt Hemmschwellen.

Rabe erklärte: „Für mich ist es unverändert richtig und wichtig, vor Gericht zu ziehen und alles öffentlich zu machen.“ Er wolle mit seinem Beispiel auch andere mutmaßliche Opfer sexueller Belästigung – oder schlimmer noch: sexuellen Missbrauchs – dazu animieren, an die Öffentlichkeit zu gehen. Schon 2009 hatte er erklärt, bei ihm hätten sich zwei Läufer gemeldet, die ebenfalls von Dönsdorf sexuell belästigt worden seien. Sie trauten sich aber nicht an die Öffentlichkeit. Genau diese Signalwirkung sieht Karla Vogt-Röller aber durch das Urteil verpufft. „Man muss damit rechnen, dass sich nun niemand mehr an die Öffentlichkeit wenden wird“, sagte sie.

Elke Treitz, die Vize-Präsidentin der DEU, sagte gestern gegenüber dpa: „Wir sehen dieses Urteil sehr positiv.“ In wenigen Tagen beginnt in Bern die Eislauf-Europameisterschaft, die DEU kann nun etwas unbelasteter in diesen Wettkampf gehen. Doch trotz dieses Urteils ist Dönsdorf irreparabel beschädigt. Er kann seit zwei Jahren, seit der Vorfall bekannt geworden ist, nicht mehr so arbeiten wie früher. Den Kontakt zu Sportlern hat er weitestgehend eingeschränkt und arbeitet vor allem im Büro. Auch bei den deutschen Eislauf-Meisterschaften in Oberstdorf am vergangenen Wochenende hielt sich Dönsdorf sehr im Hintergrund.

Der DEU-interne Streit um den richtigen Umgang mit Dönsdorf ist zwar abgeebbt, aber er ist noch nicht beendet. Noch immer empfinden es viele Funktionäre als ein Unding, dass Dönsdorf überhaupt noch im Amt ist. Ein Sportdirektor, der nachts mit einem Athleten Sekt trinke, sei eigentlich untragbar. Dass es sich um zwei erwachsene Menschen handele, spiele arbeitsrechtlich keine Rolle. Die DEU-Führung steht allerdings auf dem Standpunkt, dass die ganze Geschichte in Dönsdorf Freizeit stattgefunden habe.

Der Fall ging auf einen Vorgang im Juni 2007 zurück, als Dönsdorf Rabe auf sein Hotelzimmer zum Sekttrinken einlud. Nach Rabes Aussage habe ihn der Sportdirektor plötzlich mit einem Zungenkuss traktiert. Er fühle sich sexuell belästigt. Dönsdorf räumt einen „flüchtigen Zungenkuss ein“, betonte aber stets, das Ganze sei einvernehmlich geschehen.

Klaus Wuttke

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